Da zappelt der winzige Säugling im weißen Kleid über dem Taufbecken, gehalten von den Paten, liebevoll bestaunt von den glücklichen Eltern. Die in der Kirche versammelte Gottesdienstgemeinde ist entzückt, denn so ein Baby ist süß und Zeichen der Hoffnung, dass die Gemeinde Jesu Christi doch nicht am Aussterben ist. Die Videokamera läuft diskret im Rücken des Pfarrers, bereit, den entscheidenden Augenblick, wenn das Wasser fließt und das Baby schreit, für die Ewigkeit festzuhalten.
"Nimm hin das Kreuz auf Stirn und Brust zum Zeichen der Erlösung in Christus Jesus!" Da ist es wieder, das Wort vom Kreuz, das so gar nicht zu dieser Idylle des kleinen, unschuldigen, von allen geliebten Kindes passen mag. Das Kreuz stört, und man lässt es daher gerne weg. In alten Taufordnungen noch gängiger Bestandteil einer evangelischen Taufe, gehört die Bezeichnung mit dem Kreuzeszeichen in der neuen Taufagende zu den (ab)wählbaren Elementen der Taufhandlung. "Dieses Kind gehört nun zu Christus, darum bezeichnen wir es mit dem Zeichen des Kreuzes" so lautet die Lightversion vom Kreuz.
Das Wort vom Kreuz ist und bleibt eine Torheit. Diese bittere Erfahrung musste der Apostel Paulus auf seinen Predigtreisen durch Europa immer wieder machen. Er wurde aufgrund dieses Wortes verlacht, verprügelt, gefangen genommen, getötet. Bei den Ausgrabungen Pompejis fand man an Häuserwänden antike römische Fresken, die Christus mit Eselsohren zeigen. Die Botschaft vom gekreuzigten Gottessohn das musste als eine einzige Eselei erscheinen in einer Welt der siegreichen, Blitze schleudernden Götter. Jesus Christus ein Gott, der allenfalls für Schwächlinge taugt? Religion soll stark machen. Auch die christliche. Deshalb begehren nach wie vor Eltern die Taufe für das eigene Kind als Segenshandlung oder "Dusche fürs Leben", wie kürzlich eine große Frauenzeitschrift salopp das Sakrament umschrieb.
Wie töricht, hätte Paulus den Damen in der Redaktion geantwortet: "Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?" (Römer 6, 3) Da sucht der Pfarrer von heute im Taufgespräch krampfhaft nach freundlicheren Formulierungen, um Eltern und Paten nicht zu verscheuchen, denn wer will sein Kind schon "in den Tod" taufen lassen?
Doch ist es nicht ebenso töricht, wider besseres Wissen an der Idylle vom unschuldigen Kindlein, das in eine heile Welt hineingeboren wird, festzuhalten? Das Bild, das die Videokamera festhält, taugt nur für den Moment und keinesfalls für die Ewigkeit. Denn aus jedem Neugeborenen wird ein Mensch mit Schwächen, Fehlern und Verletzungen. Die Welt entpuppt sich als nicht immer freundlich und zugewandt, sondern oft genug als gnadenlos, fordernd und ängstigend.
Wer Heil sucht in einer unheilen Welt, dem nutzt kein Gott, der nur Siege kennt. Wirklich tragend im Leben eines Menschen ist der Gott, der uns trägt wie ein Adler und bei uns bleibt in Leid und Schuld nicht wie ein Esel, sondern wie das Lamm, das es aufnehmen kann mit den Sünden der Welt.
Eine Kirche, die dieses Wort vom Kreuz unterschlägt oder schönreden will, ist töricht, weil sie den Menschen, der durch das Kreuz so teuer erkauft ist, für dumm verkaufen will. Ohne das Wort vom Kreuz wird die Taufe zur flüchtigen Dusche. Doch sie ist das Bad der Wiedergeburt, auf dass wir dem Leben Tag für Tag wie neugeboren begegnen können.