Peter Tauber über "Die güldne Sonne"
"Mein Hoffnungslied"
Auf der Intensivstation hörte er Paul Gerhardt in Dauerschleife. Der CDU-Politiker Peter Tauber über ein uraltes Lied und wie es ihm Kraft schenkte
Illustration einer Figur, die in einem Krankenhausbett liegt und Kopfhörer trägt
AHAOK
Tobias Koch
25.06.2024

Manche lieben bei der Musik den ­Beat, die Melodie, vielleicht auch die Lautstärke, bestimmte Instrumente, ­andere – dazu gehöre wohl ich – sind nicht nur von der Musik selbst, sondern vor allem vom Text gepackt. Ich achte auf die Texte in Liedern. Und so wundert es nicht, dass es vor allem Paul Gerhardt ist, dessen Lieder ich besonders mag, die mich erreichen und berühren. Wenn im Gottesdienst ein Lied von Gerhardt angeschlagen ist, dann freue ich mich. Das mag sicher auch daran liegen, dass die Melodien zu den Zeilen Gerhardts oft eingängig sind.

Die Worte Gerhardts sprechen für sich. Ich kann nur empfehlen: Nehmen Sie das Gesangbuch zur Hand und lesen Sie. Da die Melodien größtenteils vertraut sind, kann man sich des Mitsummens kaum erwehren.

Einen besonderen Zugang zu den Liedern Paul Gerhardts kann uns auch der Ausnahmemusiker Dieter Falk vermitteln, vielen als Jurymitglied in einer Castingshow in Erinnerung. Er hat mit "A Tribute to Paul Gerhardt" die Musik wunderbar für uns heute übersetzt. Und auf den einschlägigen Streaming­diensten findet man außerdem das Liederschatzprojekt, das sehr viele gängige "Hits" des Gesangbuchs neu interpretiert – meist etwas schwungvoller, nicht ganz so getragen und doch mitreißend.

Als ich vor einigen Jahren schwer erkrankt auf der Intensiv­station des Berliner Bundeswehrkrankenhauses lag, da hat mir das Beten geholfen, aber mindestens ­genauso die Musik. Da begegnete mir auch Paul ­Gerhardt neu. Und vor allem die erste Strophe des Liedes "Die güldne Sonne" war mein Hoffnungslied. Es ist ja ein traditionelles Morgenlied, aber die Zeile "Mein Haupt und Glieder, die lagen darnieder; aber nun steh ich, bin ­munter und fröhlich" bezog ich dann doch direkt auf ­meine ­gesundheitliche Lage. Und mit jedem Schritt mehr, den ich wieder gehen konnte, jedem Schlauch und ­medizinischen Überwachungsgerät weniger wuchsen in mir Dankbarkeit und Freude. Ich lebe gerne und offenkundig durfte ich das auch.

Es war ein starker Trost, darauf zu vertrauen, dass Gott bei mir ist

Die Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger, meine ­Familie und Freunde, aber auch mein Glauben haben mir geholfen, diese Zeit durchzustehen. "Die besten Güter sind unsere Gemüter", dichtete Gerhardt. Und Zuspruch, Nähe und Mut habe ich erfahren von vielen Menschen und bewusst gemacht wurde mir das auch durch das Lied Gerhardts, das ich vor allem in einer Interpretation von Anja Lehmann immer wieder gehört habe. Es lief sozusagen auf "Heavy Rotation", wie es die Radioleute nennen.

Dieses Geborgenfühlen in der Liebe – in der Liebe Gottes zumal –, das beschreibt Gerhardt in der vierten Strophe:

"Abend und Morgen sind seine Sorgen; / segnen und mehren, Unglück verwehren / sind seine Werke und Taten allein. / Wenn wir uns legen, so ist er zugegen; / wenn wir aufstehen, so lässt er aufgehen / über uns seiner Barm­herzigkeit Schein."

Es war ein starker Trost für mich, darauf zu vertrauen, dass egal, was passiert, Gott bei mir ist. Ich habe dann schon vom Krankenbett aus mit eigenem Gottvertrauen, gespeist aus diesem unglaublichen Gottvertrauen ­Gerhardts, wieder nach vorn geschaut.

Aber es wäre nun mal nicht Paul Gerhardt, wenn er uns nicht nur die Fröhlichkeit und den Lobpreis aufträgt, vielleicht sogar aufdrängt, sondern uns auch erinnert und ermahnt, dass wir dankbar sein sollen für das, was wir haben. Die folgende Strophe ist mir deshalb besonders lieb:

"Lass mich mit Freuden ohn alles Neiden / sehen den ­Segen, den du wirst legen / in meines Bruders und ­Nähesten Haus. / Geiziges Brennen, unchristliches Rennen / nach Gut mit Sünde, das tilge geschwinde / von meinem Herzen und wirf es hinaus."

Daran versuche ich mich bis heute zu orientieren. Das gelingt mal mehr, mal weniger, aber sicher besser als früher.