"In der Sache bin ich mit mir im Reinen", betonte die evangelische Theologin Annette Kurschus am Montag in einer Pressekonferenz. Aber sie wolle "Schaden" von ihrer Kirche abwenden und vor allem der weiteren Aufarbeitung sexualisierter Gewalt nicht im Wege stehen. Deshalb trete sie von allen Leitungsämtern zurück. Ab sofort ist die 60-jährige Kurschus nicht mehr die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und nicht mehr Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. Kommissarisch wird nun ihre Stellvertreterin, die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, den Ratsvorsitz der EKD übernehmen.
Annette Kurschus' Rücktritt ist bitter, denn sie ist eine brillante Predigerin und öffentliche Seelsorgerin. Feinfühlig, klug und wortgewandt setzte sie sich für die Rechte von Kindern ein, sie stellte sich an die Seite von Geflüchteten und ergriff das Wort, wenn arbeitslose und andere arme Menschen diffamiert wurden. Im Ukraine-Krieg forderte sie immer wieder, sich um Friedensverhandlungen zu bemühen, gerade in den vergangenen Wochen kämpfte sie entschieden gegen Antisemitismus. chrismon-Leser*innen kennen sie von ihren chrismon-Kolumnen.
Claudia Keller
Ihr Rücktritt trifft die Kirche mitten in einem riesigen Veränderungsprozess. Erst am Dienstag dieser Woche prognostizierten Soziologen, dass nicht nur das Ansehen der Kirchen in Deutschland dramatisch schwindet, sondern die Religiosität insgesamt. In den nächsten 20 Jahren wird die Kirche vermutlich die Hälfte ihrer Mitglieder und damit auch einen großen Teil ihrer Kirchensteuereinnahmen verlieren. Gerade jetzt braucht es Stabilität an der Spitze.
Kurschus ist 2021 als EKD-Ratsvorsitzende angetreten mit dem Versprechen, alles zu tun, um verloren gegangenes Vertrauen in die Kirche zurückzugewinnen. Vertrauen habe "mit Offenheit und Transparenz zu tun, damit, dass ich als Person angesehen bin und Ansehen genieße", sagte sie damals. Seit vorvergangenen Samstag ist das Vertrauen in ihre Person von Tag zu Tag geschwunden, ihr Rücktritt ist deshalb konsequent.
Der Rücktritt ist konsequent
Am 11. November hatte die Siegener Zeitung von einem Missbrauchsfall im Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein berichtet, der bis in die 1990er Jahre zurückreicht, als Annette Kurschus dort Pfarrerin war. Ein Mitarbeiter der Kirche, ein Musiklehrer, soll das Verhältnis zu Schülern ausgenutzt haben, um sich ihnen unangemessen zu nähern und sie zu sexuellen Handlungen zu nötigen. Die Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt gegen ihn in mehreren Verdachtsfällen, ob sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen vorliegt.
Der Fall kam ins Rollen, als Anfang des Jahres ein Mann Anzeige gegen den Tatverdächtigen erstattete, der mittlerweile im Ruhestand ist. Kurschus weiß von der Anzeige und den Ermittlungen seit Anfang des Jahres. Brisant ist, dass sie sehr gut mit dem Tatverdächtigen bekannt ist. Die Siegener Zeitung berichtet, dass sie sogar Patentante eines Kindes des mutmaßlichen Täters sei. Doch das kam erst nach und nach heraus. Was sie der Siegener Zeitung zunächst sagte, erweckte den Eindruck, dass sie nur lose mit dem Mann bekannt sei, ihre Wege hätten sich immer wieder gekreuzt, von den Verdächtigungen habe sie nichts gewusst.
Am vorvergangenen Wochenende traf sich die EKD-Synode, das höchste evangelische Kirchenparlament, im Kongresszentrum in Ulm. Als das Geraune auf den Fluren dröhnend wurde, trat Kurschus vor die Synodalen und erklärte sichtlich mitgenommen, dass sie die beschuldigte Person gut kenne, "ich kenne sie sogar sehr gut, jedenfalls dachte ich das". Nun erfahre sie von einem "abgründigen Gesicht". Sie sei "wütend" und "sehr enttäuscht". "Was dieser Person vorgeworfen wird, ja was Betroffenen wohl durch diese Person angetan wurde, ist entsetzlich", sagte sie. Sie prüfe sich, ob sie in ihrer Siegener Zeit "etwas überhört oder übersehen habe".
Rapider Vertrauensverlust
Mittlerweile haben zwei Männer der Siegener Zeitung eidesstattlich versichert, dass sie Kurschus und einer weiteren Pfarrerin Ende der 90er Jahre bei einem Gespräch in Kurschus‘ Garten von den Vorwürfen gegen den mutmaßlichen Täter berichtet hätten. Auch ein direkt betroffener Mann sei dabei gewesen. Eidesstattliche Erklärungen wiegen schwer. Viele in der Kirche fragen sich seitdem, ob sich Kurschus an dieses Gespräch nicht erinnert oder sich nicht erinnern will? Weil sie sonst eingestehen müsste, dass sie den Vorwürfen damals nicht nachgegangen ist?
Seitdem das "Gartengespräch" in der Welt ist, begann die Absetzbewegung von Kurschus. Am Mittwoch erklärte Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich – Nummer 3 im weiblichen Führungstrio an der Spitze der Kirche -, dass sie nach Kurschus‘ Statement vor der Synode bewusst nicht geklatscht habe. Am Donnerstag berichtete die FAZ, dass das Vertrauen anderer Bischofskollegen und des Kirchenamts in Kurschus erschüttert sei angesichts der schlechten Krisenkommunikation und weil sie monatelang zu dem Fall geschwiegen habe. Auch das Verhältnis von Kurschus zu ihrer Stellvertreterin Kirsten Fehrs sei angespannt.
Am Donnerstag distanzierte sich das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD (Befo). In diesem Gremium arbeiten Vertreter der Kirche und Betroffene von sexualisierter Gewalt erfolgreich zusammen, um die Aufarbeitung von Fällen, Entschädigungsleistungen und Präventionsangebote voranzutreiben. Man sei in "höchstem Maße besorgt, dass die Darstellung der Ratsvorsitzenden der EKD in einer entscheidenden Frage von den anderen Personen abweicht", erklärte Detlev Zander, einer der Sprecher der Betroffenen in diesem Gremium. Kurschus‘ Glaubwürdigkeit stehe infrage. "Dies darf nicht zu einer Beschädigung all unserer Anstrengungen, Projekte und Maßnahmen führen."
Am Wochenende legte Detlev Zander via "Spiegel" nach: "Frau Kurschus muss endlich Konsequenzen aus ihrem eklatanten Umgang mit den Vertuschungsvorwürfen ziehen. Sie hat die Missbrauchsaufklärung zur 'Chefinnensache' gemacht - und dann kommt so etwas heraus!"
Spätestens nach diesem Misstrauensvotum war klar, dass sie sich nicht im Amt wird halten können, wenn sie ihren Worten treu bleiben will. Tatsächlich hatte sie beim Amtsantritt 2021 die Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche zur "Chefinnensache" erklärt. Ende Januar will die EKD eine umfassende Studie über die Missbrauchsfälle in der Kirche veröffentlichen. Wie hätte sie diese Studie glaubwürdig vorstellen sollen, wenn ihre eigene Glaubwürdigkeit gerade bei diesem Thema so angeschlagen ist?
In der Aufarbeitung des Siegener Falls habe sie "nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt", sagte Kurschus am Montag und gab ehrlich zu: "Ich wünschte, ich wäre vor 25 Jahren bereits so aufmerksam, geschult und sensibel für Verhaltensmunster gewesen, die mich heute alarmieren würden. Ich habe allein die Homosexualität und die eheliche Untreue des Beschuldigten wahrgenommen."
In ihrer Erklärung stellte sie die Sorge um die Betroffenen in den Vordergrund: "Inzwischen hat die Frage nach meiner Glaubwürdigkeit öffentlich eine derartige Eigendynamik entfaltet, dass eine absurde und schädliche Verschiebung eingetreten ist: Statt um die Betroffenen und deren Schutz geht es seit Tagen ausschließlich um meine Person. Das muss endlich aufhören. Es zieht die Aufmerksamkeit ab von den Betroffenen und von der Aufklärung des Unrechts, das ihnen angetan wurde. Diese Aufklärung gehört in den Fokus." Sie trete zurück, um nicht die Erfolge zu gefährden, "die wir in der Aufarbeitung und Bekämpfung sexualisierter Gewalt gemeinsam mit Betroffenen in vielen Jahren errungen haben."
Indirekt gab Kurschus den Medien eine Mitschuld daran, dass sich die Ereignisse in den vergangenen Tagen so zugespitzt haben. Das hätte sie nicht machen brauchen, erinnert es doch unschön an Rücktritte von Politikern, die vor allem den Medien die Schuld zuschoben.
Man merkte ihr am Montag an, wie schwer ihr der Schritt gefallen ist, wie zornig und auch wie traurig sie darüber ist. Aber es ist der einzig richtige Weg, denn so hat sie deutlich gemacht, dass sich gerade Bischöfe und Bischöfinnen an ihren Worten messen lassen müssen. Dass sie ausgerechnet jetzt aufhört, ist dennoch ein herber Verlust. Gerade in den vergangenen Wochen hatte sie Profil gewonnen und sich politisch so klar geäußert wie selten zuvor. Vergangenen Sonntag ging sie in der Rede vor der EKD-Synode mit dem neuen Kurs der Bundesregierung in der Asyl- und Zuwanderungspolitik hart ins Gericht und versicherte: "Ich lasse mir die Barmherzigkeit nicht ausreden." Die Schwachen und Verletzlichen haben nun eine Fürsprecherin weniger.
Gott zum Menschen machen…
Gott zum Menschen machen bedeutet, IHN auf unser Niveau herunter zu ziehen. Pure Gotteslästerung. Wer keinen Unterschied mehr begreifen kann, der hat jeden Glauben verloren.
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In Ulm und um Ulm herum.
Ja wie war es denn nun in Ulm und um Ulm herum? Wurde, wie offiziell angegeben, wegen des Bahnstreiks die Synode fluchtartig beendet, oder waren Rücktritt und Führungslosigkeit die Gründe? Wurde mit einer (Not-) Lüge das Desaster kaschiert und sind jetzt alle Synodalen passive oder aktive Lügner? Die Wahrheit zu vergwaltigen, indem man einen neuen sauberen Schauplatz wählt, erinnert doch stark an Strafversetzungen.
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was machte Großvater....?
Warum wollen Sie Klarheit haben? Um sich mit der Klarheit schuldiger oder unschuldiger zu fühlen? Wollen Sie gar mit der Klarheit ein besserer Mensch werden? Oder befürchten Sie, ohne die Klarheit ungebremst in die Abgründe ihrer Sippe zu stürzen? Haben Sie mit dem Wissen über ihre Ahnen ein schlechtes Gewissen oder ängstigt Sie die die Möglichkeit der Vererbung. Und selbst wenn Sie etwas wissen, dann wissen Sie nur einen Bruchteil.. Sie wissen dann immer noch nicht warum, unter welchen Zwängen wie gehandelt wurde. Warum wollen sie sich mit den Zwängen, Taten und Nöten ihrer Ahnen beladen, Das ist doch die typische protestantische Geißelung der Lebensfreude. Dann doch lieber unbeschwert mit leben und leben lassen katholisch sein. Es wird krampfhaft und überall die Schuld gesucht, damit man sie als Kreuz tragen kann. Die Katholiken machen daraus ein Fest, die Protestanten ein Trauerspiel.
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