Wie Verzögerungsstrategien die Klimakrise verschärfen
Die Klimakrise findet auch in unseren Köpfen statt
plainpicture/Silveri
Klimakrise
"Die Bedrohung ist für viele immer noch abstrakt"
Die Menschheit erhitzt die Erde. Trotzdem stoßen wir weiter Klimagase aus. Gibt es dafür eine psychologische Erklärung?
Tim Wegner
Aktualisiert am 18.11.2024
8Min

Gibt es eine psychologische Erklärung dafür, dass wir beim Klimaschutz nicht vorankommen?

Anita Habel: Es hat der Menschheit Wachstum und Fortschritt gebracht, fossile Energien zu nutzen, also Kohle, Öl und Gas zu verbrennen. Fossile Energien hatten für eine sehr lange Zeit einen guten Ruf, sie waren positiv besetzt.

Es hat aber negative Konsequenzen, wenn wir Kohle, Öl und Gas verbrennen - CO2 wird frei, wir machen uns abhängig von anderen Weltregionen ...

... aber das war vielen lange nicht klar. Es ist für uns Menschen schwierig, negative Folgen einer Handlung zu berücksichtigen, wenn wir sie nicht direkt spüren. Wir sind sehr stark auf die Gegenwart fokussiert – auf das, was uns jetzt und hier hilft, ein gutes Leben zu führen. Seit den siebziger und achtziger Jahren nimmt das Wissen zu, dass wir Probleme mit der Erderhitzung bekommen und dass wir zu viele Ressourcen verbrauchen. Doch lag das alles weit in der Zukunft. Wir nennen das eine psychologische Distanz. Wenn eine Bedrohung räumlich und zeitlich weit weg von uns ist, bleibt alles immer etwas hypothetisch. Dann fragen Menschen gern: "Kommt es denn wirklich so? Vielleicht sind die Berechnungen falsch? Wir haben ja noch Zeit! Und vielleicht wird alles nicht so schlimm!" Heute wissen wir, dass fossile Konzerne diese Fragen noch befeuert haben.

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Sebastian Levi et al., "Klimaschutzausreden", in: Lea Dohm, Felix Peter, Katharina van Bronswijk (Hg.). Climate Action - Psychologie der Klimakrise. Handlungshemmnisse und Handlungsmöglichkeiten.

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Zitat:"Gibt es eine psychologische Erklärung dafür, dass wir beim Klimaschutz nicht vorankommen?"

Viele Worte, Wünsche, Mahnungen und Apokalypsen. Und doch leider 3 Millionen Jahre am Beginn und Ziel vorbei. Denn so lange dauert die moderne "Menschwerdung" bis jetzt. Ein Wesen das bipolar, wenn nicht multivers, mit Eigenschaften (wer ist dafür verantwortlich?) ausgestattet ist, die sowohl Verstand als auch Dummheit, Gut und Böse, Askese und Gier, Nächstenliebe und Mord, Schwarz und Weiß in sich tragen oder erzeugen. Um all die guten Eigenschaften zu bewahren und die schlechten zu vermeiden, gibt es keine Möglichkeit, kein Patentrezept. Um das zu erkennen bedarf es keiner psychologischen Erklärung. Alle bei Freud in Wien aufs Bett, jedem die psychologische Bremse lösen und die irdische Schöpfung hat den vom Schöpfer gar nicht gewollten Idealzustand ohne Apfel und Schlange wieder hergestellt? Denn das wäre ja Ziel und Quintessenz des Ausgangszitates. Die Liturgie ist mit ihrem Latein am Ende.

Antwort auf von J. Jasmin (nicht registriert)

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Werter Herr Jasmin, Sie schreiben: "bei Freud in Wien aufs Bett".

Da geht Ihnen ein bisschen was durcheinander. Der Freud ist der mit der Couch. Der würde Ihnen erklären, wieso Sie jetzt stattdessen auf das Bett verfallen.

Fritz Kurz

Antwort auf von Fritz Kurz (nicht registriert)

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Werter Herr Kurz! Schon mal auf der Couch eingeschlafen und auf dem Bett wachgeträumt? Ob Couch oder Bett, ob Stuhl oder Liege, Freud würde Sie vermutlich auch stehend oder mit Hlfe des Rollators (er oder Sie) erreichen bzw. behandeln.

Antwort auf von J. Jasmin (nicht registriert)

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Jasmin: "Um all die guten Eigenschaften zu bewahren und die schlechten zu vermeiden, gibt es keine Möglichkeit, kein Patentrezept."

Vernunftbegabung und die Anleitung zur Menschwerdung in der Organisation eines globalen Gemeinschaftseigentums "wie im Himmel all so auf Erden", OHNE wettbewerbsbedingt-konfusionierte Symptomatik, OHNE eine heuchlerisch-verlogene Welt- und "Werteordnung", damit Mensch den geistigen Stillstand (die göttliche/vernünftige Sicherung) seit der "Vertreibung aus dem Paradies" (Mensch erster und bisher einzige geistige Evolutionssprung) überwindet und als ganzheitliches Wesen die volle Kraft des Geistes der Gott/Vernunft ist ebenbildlich wirklich-wahrhaftig und zweifelsfrei-eindeutig gestalten lassen kann, dass ist ein Patentrezept!?

Die Bibel spricht NIE den Einzelnen/"Individualbewussten" an, denn Mensch bedeutet ALLE.

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Zitat: "Wir müssen uns vom Wachstumsprinzip abkehren"

Sie kennen doch das Problem: "Alles richtig gemacht und doch falsch!" Die Zivilisation ist als "Babel" mit immer besser, höher und vollendeter gewollt, wird versucht und muss scheitern. Ein Mensch, ein Bau zu groß, wird instabil. Ein Reich zu gross wird unregierbar. Wie lange war denn Wachstum, Fortschritt und immer noch bessere Lebensqualität oberstes Ziel? Die Lebensfreude ist doch kein Verbrechen an der Natur! Eine Religion mit dem Ziel der Einsiedelei und Askese wäre  verlacht und tot. Die das fordern leben alle gut vom Gegenteil. Wer wird denn dann mit dem Umkehrprinzip nicht mehr "wachsen" dürfen? Nur Europa oder einzelne Staaten? Die Saudis auch? Gibt es dann elitäre oder kapitalistische Sonderrechte? Wer einen SUV fährt, ein E-PKW oder E-Bikefahrer, alle gleich? Ganz Afrika darf ungebremst bleiben und leben? Wer formuliert Ziele und Rechte, wer hat dafür die Macht und wer denkt dabei nicht zuerst an sich und die Seinen? Die Forderung ist unstreitig gut, aber die Konsequenzen nicht wahr haben wollen  oder zu nennen, ist nicht zu Ende gedacht. Ist es redlich Hoffnungen zu machen, obwohl man selbst wissen sollte, dass die Realitäten andere Ziele haben? Verzögerung und Strategie? Es ist doch bekannt, dass eine Reparatur 1000 mal länger dauert als ein Unfall, eine 1000jährige Vergewaltigung der Natur Mißbildungen wachsen läßt. Wenn auch nicht offensichtlich, schwelt unter der "Haut" der Natur der Klima-Brand aus Emissionen, Rohstoffverbrauch   doch schon seit Jahrhunderten. Erst 1, jetzt 8 und bald (2086) 10 Milliarden müssen doch Folgen haben. Und dann werden freitags Gesetze gefordert, die letztlich zur Askese nötigen sollen. Die sehr weh tun würde. Als Schmerztablette dann die Überzeugung, doch das Beste gewollt zu haben. Wird die "Arznei" geschluckt? Es ist die Aufgabe jeder Kanzel, Hoffnung zu spenden. Projiziert sie die aber auf naturwissenschaftliche Zwänge und Ziele, werden schöne Wünsche  mit der bitteren Wahrheit zur gnadenlosen Ernüchterung. Ausserdem enttäuschte Hoffnungen machen unglaubwürdig

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Die Verzögerungsstrategen waren schon immer an der Spitze der wettbewerbsbedingten Unwahrheit zu finden.

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Liebe Frau Habel, "Verzögerungs-/Vermeidungsstrategie, Verantwortung abschieben" - All das steckt auch in dem oberflächlich-faulen Kompromiss Grundeinkommen!

Ich bin für eine wirklich-wahrhaftige Demokratie mit zweifelsfrei-eindeutiger Vernunft und Verantwortungsbewusstsein eines UNKORRUMPIERBAREN Menschenrechts zu KOSTENLOSER Nahrung, MIETFREIES Wohnen und ebenso KASSEN-/KLASSENLOSER Gesundheit, in einem globalen Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik, OHNE eine konfusionierte Regierung von/zu parlamentarisch-lobbyistischem Marionettentheater, usw.!

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muss Windräder bauen. Heute gab es 2 Nachrichten, die wahrscheinlich zusammen hängen:

1. jetzt schon Dürren in Südeuropa https://www.agrarheute.com/land-leben/schon-duerre-boeden-italien-spanien-frankreich-trocken-603685

2. Es wurde noch nie soviel EE produziert.

Ich empfehle mal bei Ganteför rein zu schauen!

Antwort auf von bloch (nicht registriert)

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Dass das Klima höchstwahrscheinlich aus anthropogenen Gründen gegen uns agiert, ist unbestritten. Die wesentlichste Ursache dürfte der 1000jährige Energiehaushalt sein. Aber ohne diesen Raubbau ist die jetzige Zivilisation nicht denkbar. Die Erneuerbaren kann man nicht essen. Energie ist beileibe nicht alles. Auch ein Überfluss lässt nichts wachsen, wenn Phosphate fehlen. Gibt es zu viele "Mäuler", kann kein Kühlschrank gross genug sein..
Es gibt viele essentielle Rohstoffe, Bedingungen und menschliche Eigenschaften, die weder ein Akku, eine Stromleitung, ein Generator oder ein Windrad und ein AKW verändern noch substituieren können. Propheten, die fahrlässig alles Wünschenswerte versprechen, was sie selbst und andere nie einhalten können, hat es genug gegeben. Die Wahrheit ist unerbittlich.

Antwort auf von Ockenga (nicht registriert)

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an sich, will ich ja nicht bestreiten. Ich denke aber, dass er uns hier falsch dargestellt wird. Um die Jahre 2005....2010 herum hatten wir hier auch einige Male Starkregen. Seit
dem nicht mehr. Ich denke die Masse der Windräder, die in Europa errichtet wurden, führten zu einer Veränderung der Luftströmungen. Im Norden Europas wird den Winden die Kraft genommen und dann kann Sahara-Luft weiter nach Europa vordringen. Die momentanen Dürren in Europa werden wohl durchwegs darauf zurück zu führen sein.

Man konnte wegen Corona einen Lockdown möglich machen. Ich fordere einen Lockdown bei den Windrädern, bis die Böden in Europa wieder genug Wasser haben.

Antwort auf von bloch (nicht registriert)

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Was soll denn das? Im Umkehrschluss dann: " Wer keine Wüste will, darf keine Windräder bauen?"

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Guten Tag

Eben lese ich den Artikel
«Wie Verzögerungsstrategien die Klimakrise verschärfen»

Zum Satz
«Ich allein kann niemals – wie es oft heißt – "das Klima retten"»
Kommt mir in den Sinn, dass wir (insbesondere die westeuropäische Gesellschaft) in den vergangenen Jahrzehnten den Individualismus und das individualistische Denken und Verhalten hochgepriesen und kultiviert haben.

Wenn wir der Klimakrise Einhalt gebieten wollen, müssen wir dringend als Gesellschaft agieren – das wird in ihrem Artikel und in so vielen Gesprächen ganz deutlich. Da müssen wir aber zuerst unseren Individualismus hinterfragen und das ist reichlich unbequem.

Mit freundlichem Gruss

Bernadette Seeholzer

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Herr Husmann, das ist eine abstrakte, unwirkliche und rein theoretische Sicht. Für den, der noch zwischen den Jahreszeiten, heiß und kalt und gestern und morgen unterscheiden kann, sind die Veränderungen real und nicht abstrakt. Abstrakt ist aber, den Leuten einzureden, dass Veränderungen, für die Jahrtausende die Ursache sind, innerhalb kurzer Zeit (100 Jahre?) reparabel sein sollen. Wenn überhaupt! Abstrakt ist auch, die Zahl der Verursacher (1800 ca. 1 Milliarde, jetzt 8, bald 10!) einfach auszublenden, nur weil die Konsequenzen nicht in das religiöse Weltbild passen. Abstrakt ist nicht die Gewissheit, dass wir mit Zahl, Verbrauch und Zeit zielsicher auf einen erbarmungslosen Verteilerkampf zusteuern. Abstrakt ist auch nicht zu sehen, dass diese automatisierte Zukunft mit den bisherigen Werten nicht begleitet werden kann. Abstrakt ist nicht zu wissen, dass was (Bodenschätze) verbraucht ist, auf ewig verloren ist. Abstrakt ist die Schuldzuweisung. Läuft sie doch letztlich auf die Schöpfung und darauf hinaus, dass schuldig ist, wer sich hat gebären lassen. Total abstrakt ist auch die Vorstellung, dass es gelingen könnte, den bisherigen Menschen von seinen schlechten (je nach Kultur kann schlecht auch gut sein!) Eigenschaften zu befreien. Abstrakt zu leben kann zwar im Himmel oder im Paradies möglich sein, aber hier ist das nur in der Phantasie möglich. Ockenga