Beileid unerwünscht
Beileid unerwünscht
Kati Szilagyi
Beileid unerwünscht
Stefanie Schardien, Pfarrerin in Fürth und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin, beantwortet für chrismon jeden Monat kniffelige Lebensfragen.
undefinedGEP
27.07.2022

Ursula O. aus Kumhausen fragt:

Oft wird in Traueranzeigen darum ­gebeten, von Beileidsbekundungen am Grab abzusehen. Das stürzt mich ­regelmäßig in ­einen Konflikt. Ich weiß nicht, ob damit ­tatsächlich nur der Ort des offenen Grabes gemeint ist oder die gesamte Beerdigungs­zeremonie. Sollten damit auch Aussegnung und Gottesdienst gemeint sein, bedeutet es, dass ein persönliches Ansprechen, eine Begrüßung ebenfalls ­unerwünscht sind? Und wie verhalte ich mich dann?

Stefanie Schardien antwortet:

Während viele Menschen un­sicher sind, weil sie nicht um die Bedürfnisse Trauernder wissen, macht Sie gerade die klare An­sage unsicher. Neben Ihrem ei­genen – durchaus auch berechtigten – Wunsch, Anteilnahme ­ zu zeigen, höre ich die wichtige ­Frage: Kann eine Trauerfeier ohne Beileidsbekundung Trauernden guttun? In Trauergesprächen erzählen mir Angehörige oft von ­ihrer Furcht, bei der Beerdigung von Gefühlen übermannt zu werden. Darum geht der Trend zum "Weniger": Bitte kein Beileid, bloß nicht zu emotional predigen, ­lieber nicht singen . . .

undefinedGEP

Stefanie Schardien

Dr. Stefanie Schardien, geboren 1976, ist Theologin und Theologische Geschäftsführerin des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik. Zuvor war sie Pfarrerin in St. Michael in Fürth. Sie war Juniorprofessorin an der Universität Hildesheim für Systematische Theologie und arbeitete als Pfarrerin für Kindergottesdienst im Amt für Gemeindedienst der Bayerischen Landeskirche. Schardien ist Mitglied der Präsidialversammlung des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Seit 2019 gehört Schardien dem festen Team der ARD-Sendung "Das Wort zum Sonntag" an.

Meine seelsorgliche Erfahrung ist eine andere: Gerade solche gemeinsamen Momente tun dem Trauerprozess gut. Berührungen, Gefühle, Tränen fühlen sich oft ganz richtig auf dem Friedhof an. Und das erleben Trauergesellschaften auch so: Fast immer gehen die Gäste darum doch irgendwann zu den Angehörigen – und für die ist es umgekehrt dann stimmig. ­Gehören Sie zu den ferneren ­Gästen, vertrauen Sie auf das soziale Miteinander solcher Feiern. Sie sehen rasch, ob, wo und wie die Trauernden mit anderen ­sprechen oder Tröstliches an­nehmen. Im Zweifel: Einen Händedruck oder ein ernst gemeintes, liebes Wort wird Ihnen kaum jemand übelnehmen. Denn manchmal tut das ständige "Weniger" nicht gut. Dann darf es auch ein bisschen mehr sein.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.
Permalink

Die Wahrheit tut weh. Lasst uns lügen, dann geht es uns besser.