"Verkauf ihm deinen Ohrwurm"
Die Familie braucht Geld. Und das Genie braucht Zeit. Achtung Satire!
Voland&Quist/Tim Jockel
Gregor Stockmann
29.04.2021

Johann: Ich hab seit Tagen einen Ohrwurm.

Anna: Sing mal vor.

Johann: Das ist ein Chor von quäkigen ­Stimmen, die singen immer: "Lala-lalalala-lala-lala..."

Anna: Hast du das komponiert?

Johann: Bis jetzt nur im Kopf.

Anna: Vielleicht solltest du es aufschreiben, um es loszuwerden. Ich mach das immer mit meinen Sorgen und Nöten.

Johann: Ich habe so viele unsterbliche ­Melodien geschrieben, und ausgerechnet das ist jetzt mein Ohrwurm.

Anna: Mir gefällt es: "Lala-lalalala-lala-lala..."

Johann: Hör auf!

Anna: Vielleicht könntest du es verkaufen? "Die Kunst der Fuge" ist ja schön und gut, aber wir brauchen Geld.

Johann: Nein, die Melodie geht mit mir ins Grab.

Anna: Ich hatte neulich auch einen Ohrwurm: "Hurra! Hurra! Der Kobold mit dem roten Haar! Hurra! Hurra! Der Pumuckl ist da..."

Johann: Wusstest du, dass meine Goldberg-­Variationen Ängste lösen?

Anna: Ja, aber Geld würde meine Ängste ­lösen. Geh zum Kurfürsten und verkauf ihm deinen Ohrwurm.

Johann: Wenn ich nur wüsste, wie diese ­Stimmen in meinen Kopf gekommen sind.

Gregor Stockmann

Line Hoven

*1977, lebt und arbeitet als Comiczeichnerin und Illustratorin in Hamburg. Ihre Graphic Novel "Liebe schaut weg" wurde in mehrere Sprachen übersetzt und unter anderem mit dem e. o. Plauen Förderpreis ausgezeichnet. In Zusammenarbeit mit dem Berliner Schriftsteller Jochen Schmidt sind "Dudenbrooks" bei Jacoby & Stuart und "Schmythologie" bei C. H. Beck veröffentlicht worden. Ihre in Schabkarton gekratzten Arbeiten erscheinen in verschiedenen Magazinen und Zeitungen. Line Hoven hat zur Zeit die Max Kade Gastprofessur am Dartmouth College in Hanover (USA) inne. "Line Hoven ist die schöne Schwester, die sich Robert Crumb immer gewünscht hat." (Teresa Präauer, aspekte-Preisträgerin und Autorin, zum Werk von Line Hoven.)
Voland&Quist/Tim Jockel

Jochen Schmidt

Jochen Schmidt wurde 1970 in Berlin-Friedrichshain geboren. Er studierte Romanistik in Berlin und Brest. 1999 gründete er die Leseshow "Chaussee der Enthusiasten", bei der er 16 Jahre lang wöchentlich auftrat, mit Texten, die unterhalten und nutzen wollten. Wichtige Veröffentlichungen: "Schmidt liest Proust", "Meine wichtigsten Körperfunktionen", "Schneckenmühle", "Gebrauchsanweisung für Ostdeutschland". 2017 erschien sein Roman "Zuckersand", in dem ein Vater mit seinem zweijährigen Sohn spazierengeht und wieder sehen und fühlen lernt. Mit Line Hoven hat Jochen Schmidt bereits für "Dudenbrooks" und "Schmythologie - Wer nicht Griechisch kann, kann gar nichts" zusammengearbeitet. 2004 erhielt Jochen Schmidt den Förderpreis zum Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor. Auf Reisen fotografierte Fundstücke kommentiert Jochen Schmidt auf: http://jochen-schmidt.blogspot.de/
Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.
Permalink

Sehr geehrte Frau Ott,
Eben habe ich in Chrismon in "Paargespräche" über Anna Magdalena und Johann Sebastian Bach gelesen. Das hat mich an meinen Besuch im Leipziger Bachhaus vor vielen Jahren erinnert. Ich war enttäuscht, dass es dort kein Bild von Anna Magdalena gab, nur von Johann Sebastian und seinen berühmten Söhnen aus der ersten Ehe. Sein behinderter Sohn wurde ebensowenig erwähnt, wie das schwere Schicksal von Anna Magdalena, die sich aufopfernd um den behinderten Sohn gekümmert hatte, aber nicht erreichen konnte, dass ihrer Tochter eine Ausbildung oder Aussteuer ermöglicht wurde. Nach Bachs Tod war sie arm und bekam keine Hilfe von den begabten Stiefsöhnen. Sie war so furchtbar arm, dass sie nach einer Schlacht im siebenjährigen Krieg unter den Leichen auf dem Schlachtfeld nach Dingen suchte, die von Wert waren, um ihre Not zu lindern. Ziemlich bitter! Ich habe davon in einer Rundfunksendung im damaligen SWR gehört und glaube, dass das nicht schlecht recherchiert wurde.
Freundliche Grüße von Barbara Boock/Zoche