Amerika muss den kalten Krieg aus den Privatwohnungen beenden
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
17.12.2012

chrismon Redakteur Eduard Kopp

Ein tiefer Riss zieht sich durch die amerikanische Gesellschaft, nachdem ein junger Mann zwanzig Kinder und sieben Erwachsene in Newtown bei einem Amoklauf in den Tod geschickt hat. Ein Teil der Gesellschaft setzt nun auf eine weitere Bewaffnung der Bevölkerung - wie bei jeder anderen Tat dieser Art eilen nämlich zahlreiche Amerikaner in die Waffenläden, um sich mit zusätzlichen Schusswaffen einzudecken. Ein anderer Teil der Gesellschaft, der deutlich kleinere, ist immerhin in der Lage, die gegenwärtige Trauer über die Bluttat zum Anlass zu nehmen, über die Abschaffung der privaten Waffenlager nachzudenken. Sie eindeutig zu fordern sind nur wenige kühn genug.

Ein blutiges Grab für jährlich eine ganze Kleinstadt

Amerikas Präsident Obama ist fest in der Hand der amerikanischen Waffenlobby. Seine Einladung an die Öffentlichkeit, über das amerikanische Waffenrecht „nachzudenken“, wird im Dickicht der Waffenlobbys und des privaten Waffenwahns der Amerikaner verhallen. Die Zahl der Waffen in Amerika ist fast so hoch wie die der amerikanischen Bürger -  Kinder und alte Menschen mitgerechnet.  Wobei es viele Waffennarren gibt, die ein ganzes Arsenal zu Hause in ihrem Schrank aufbewahren. Die meisten Armeen der Welt verfügen nicht über solche Hochrüstung.

Amerikas Waffenliebhaber ernähren sich von einer seit mehr als 220 Jahren gepflegten Paranoia: dass dem Bösen draußen in der Welt nur mit Gewalt beizukommen ist. Gegen die vermeintlich drohende Gefahr rüsten sie auf. Mit der Folge: 12000 ermordete und getötete Menschen jährlich amerikaweit – wohl bemerkt als Opfer von Selbstjustiz. Das Land, von dem gesagt wird, es sei eine der Wiegen der Demokratie, wird alljährlich zum blutigen Grab für eine Menschenzahl, die der Bevölkerung einer ganzen Kleinstadt entspricht. Das Verhalten der Amerikaner, die nach einem Amoklauf flugs in die Waffengeschäfte eilen, um sich weiter auszustatten, erinnert an die Perversion des kalten Krieges: Mehr hilft mehr – angeblich. Wer abrüstet, bringt sich nur selbst in Lebensgefahr. Heute wird ein Kalter Krieg aus den privaten Wohnhäusern heraus geführt. Die Paranoia zeugt immer neue Spielarten: Seitdem Barack Obama als Präsident waltet, sind rund 100 Gesetze in Kraft getreten, die Schusswaffenrestriktionen aufheben oder begrenzen. Die Waffenlobby ist nicht in der Defensive, sondern auf dem Vormarsch. Sie ist es, die täglich aufs neue die amerikanischen Gewaltfantasien nährt.

Auch dies eine Ideologie des Kalten Krieges

Amerika ist weltweit singulär in seinem Waffenwahn. Es mag sein, dass 95 Prozent der amerikanischen Waffenliebhaber mit den tödlichen Instrumenten bedacht umgehen. Aber es gibt genug Menschen, die sich unter extremer Anspannung oder aufgrund ihrer seelischen Kondition zu einer Bluttat hinreißen lassen. Ihre angespannte Seelenlage mag von anderen gar nicht erkannt werden. Auch im Fall des Amokläufers von Newtown gab es keine Indizien dafür, dass eine solche Bluttat drohte. Es ist Aufgabe des Staates, auch solche Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, sie von vornherein unmöglich zu machen.

Amerika muss sich entwaffnen. Ein Land, das so viel Wert auf seine christlichen Wurzeln legt, sollte den zweiten Verfassungszusatz von 1791, der das Recht zur privaten Bewaffnung begründete, nicht als fünftes Evangelium verstehen. Es liegt kein Heil in der amerikanischen Gewaltfantasien.

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Ich finde diese Methode über die Amerikaner herzuziehen etwas heuchlerisch und überzogen. Wenn es dort nicht ohne weiteres möglich ist, die Verfassung zu ändern, in der nunmal steht, daß der mündige und freie Bürger Waffen besitzen darf, dann sollte man den Umgang der Amerikaner mit ihren Traditionen im fernen Europa tolerieren. Wir müssen das ja nicht nachahmen. Ich würde viel besser finden, wenn Sie hier einmal darüber diskutieren würden, warum in Deutschland die meisten Waffen im Besitz von CDU-Mitgliedern sind, die, wie ich mal vorschnell vermuten möchte, überwiegend bekennende Christen sind? Ich möchte nicht in einem Staat leben, wo Reiche, Ausländer und die Mitglieder einer bestimmten Partei bewaffnet sein dürfen, während man bei Armen und in sonstiger Weise "verdächtigen" Existenzen regelmäßig Hausdurchsuchungen veranstaltet, um nach zu langen Messern und verbotenen Gegenständen zu fahnden. Das ist nicht nur lächerlich sondern rechtsstaatlich bedenklich.

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Ich vermute jetzt mal, mit "die amerikanischen Waffenliebhaber" sind nicht dieselben Leute gemeint, die dort regelmäßig in die Kirchen gehen? Das ist auch überhaupt nicht suggestiv gedacht, nicht wahr?

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denn sie haben eben nicht bloß Waffen, sondern auch die dazugehörige Munition in ihrem Besitz.

Sie fühlen sich derart von Feinden umstellt, dass sie den staatlichen Machtinstrumenten allein nicht vertrauen.
Könnte das nicht ein Ausdruck dafür sein, dass dieses "gotteseigene" Land in einem Zustand ist, der kaum noch etwas mit einer demokratischen Zivilisation gemein haben dürfte?

So gesehen wäre es keine Paranoia, sondern Vorsorge, selbst Waffen im Haus zu haben. Der Rest ist Kulisse......

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EBSW schrieb am 19. Dezember 2012 um 11:08: "Könnte das nicht ein Ausdruck dafür sein, dass dieses "gotteseigene" Land in einem Zustand ist, der kaum noch etwas mit einer demokratischen Zivilisation gemein haben dürfte?" Im Gegenteil. Der hunde- und kinderliebe rechtschaffene Bürger, der stolz auf seine Knarre ist, mit dem er das Böse in der Welt, insbesondere die Amokläufer, in Schach zu halten gedenkt, ist geradezu prototypisch für einen gestandenen Demokraten. Wenn sich die Guten zusammentun, die Besten der Guten aus ihrer Mitte demokratisch zu ihren Führern wählen, die dann mit noch deutlich mehr Waffen als Papi zu Hause hat, nämlich einem kompletten Polizeiapparat, das Schurkentum bekämpfen, dann lebt die Demokratie. Die freie Übereinstimmung zwischen Führern und Geführten in einer Welt, die gewaltmäßig zu ordnen sei, bildet das Kernstück des demokratischen Geistes.