Ich habe panische Angst vor Spinnen. Eine irrationale, aber tief verwurzelte Furcht, die mir den Atem nimmt, mich erstarren oder in unkontrollierte Fluchtreflexe verfallen lässt. Mit den filigranen Weberknechten in der Zimmerecke habe ich mich angefreundet. Angeblich ist das ja ein Zeichen für ein gutes Raumklima. Bei größeren, haarigen Exemplaren mit dicken Beinen hört die Freundschaft aber auf. Dann ist mir das Raumklima auch egal. Denen überlasse ich freiwillig die ganze Wohnung.
Ein klarer Vorteil des Stadtlebens ist, dass ich im vierten Stock nur selten einer Spinne begegne. Das ist ja wieder mal typisch Mensch: Angst haben vor etwas, das man kaum kennt.
Die schlimmste Begegnung mit einer Spinne hatte ich vor anderthalb Jahren in den Pyrenäen, im Süden Frankreichs. Dort wurde ich fast von einer faustgroßen Wolfsspinne aufgefressen. Zumindest dachte ich das: Ich war beruflich unterwegs, um einen Musiker für einen Radiobeitrag zu begleiten. Es war eine romantische Sommernacht, der Musiker spielte unterm Sternenhimmel. Die Nacht sollte ich in einem rustikalen Gasthaus verbringen.
Juhu, ein richtiges Bett, kein Zelt, freute ich mich. Zu früh gefreut. Als ich mein Gepäck im Zimmer abstellte, huschte ein schwarzes Etwas unter dem Bett hervor. Eine Spinne. Und was für eine. Dicke Beine, insgesamt so groß wie meine Handfläche. Alles in mir wollte laut losschreien. Aber ich wollte nicht dem Klischee einer kreischenden Frau entsprechen, die Angst vor Spinnen hat. Und die am Ende einen Mann darum bitten muss (als hätten die nie Angst vor Spinnen), sie aus dem Raum zu entfernen.
Hastig tippte ich eine Google-Suche: Große schwarze Spinne Pyrenäen. Es könnte eine große Winkelspinne sein. Aber die Beine sind zu dünn. Vielleicht eine apulische Tarantel, also eine Wolfsspinne? Das passt schon eher. Ich schaffe das, redete ich mir gut zu, während meine Hände ganz schwitzig wurden. Ich schaffte es tatsächlich, ihr ein Glas überzustülpen. Doch der Versuch, ein Blatt Papier darunterzuschieben, um sie eventuell nach draußen zu befördern, scheiterte kläglich. Sobald sie sich nur ein wenig bewegte, zuckte auch ich zusammen. Als könnte sie Laserstrahlen auf mich schießen. Danke, großer Bruder, für die schaurigen Geschichten über australische Killerspinnen in meiner Kindheit und die Info, sie könnten mit Lasern schießen.
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