Wenn Paul Knopf im Universum seiner geheimnisvoll glitzernden Knöpfe steht, kommt er sich manchmal so vor, als würde er in die Sterne blicken. Ein erhabenes Gefühl, das ihm, wie er sagt, "eine Ahnung der Unendlichkeit" gibt. Ganz demütig steht er dann dort zwischen all den Schubladen und Schachteln in seinem Kreuzberger Laden und fühlt sich erfasst von einer Woge des Glücks, darin bestätigt, wie richtig es in seinem Leben war, auf die kleinen Dinge zu setzen.
Paul Knopf, der eigentlich Ralf Peter Paul Heimann heißt, sich aber seit Ewigkeiten so nennt, weil es gut passt, und man sich das Leben, insbesondere als Knopfkünstler, ja auch ein bisschen formen darf, ist der letzte Hüter der Knopfkultur und sein Laden so einzigartig, dass manchmal sogar Kunden aus Übersee bei ihm anklopfen. Weil die Wahrscheinlichkeit, hier einen bestimmten Knopf zu finden, größer ist als an jedem anderen Ort der Welt. Und es schwer sein dürfte, jemanden zu finden, der mehr über Knöpfe weiß als Paul Knopf, 67, seit einem halben Jahrhundert im Knopfgeschäft.
Knopf und sein Laden wirken aus der Zeit gefallen
Die Registrierkasse aus den 50er Jahren mit Handkurbel, Marke "Anker", ist ihrer hölzernen Anmutung zum Trotz aus Blech – in Mahagoni lackiert. Man kann Ost- und Westmark einstellen, was natürlich nicht mehr ganz aktuell ist, aber die Kasse arbeitet solide und erfüllt ihren Dienst. Außerdem, wenn Paul Knopf etwas ganz bewusst nicht sein will, dann doch modern. Sein Laden ist aus der Zeit gefallen und soll es auch sein.
Wie Baggerschaufeln, die ihn gleichwohl zu feinster Handarbeit befähigen, ruhen Knopfs riesige Hände auf dem Ladentresen. Er trägt ein dezent spektakuläres Hawaiihemd und am linken Ohrläppchen, soviel Imagepflege muss sein, einen Perlmuttknopf, der aussieht wie angenäht, es aber natürlich nicht ist. Dichte Augenbrauen rahmen Filzstreifen gleich ein Paar blaugrüne Augen, in die ein raumgreifendes Leuchten tritt, sobald er mit zärtlichen Worten anfängt, aus der Welt der Knöpfe zu erzählen.
Manchmal, wenn er einen Knopf besonders gernhabe, sagt er, kann es sein, dass er ihn, obwohl eigentlich ja für den Verkauf bestimmt, einfach in die Hosentasche gleiten lasse und mit nach Hause nehme. Knopf lächelt, fast so, als müsse er sich entschuldigen für eine besondere Art des Diebstahls, der keinen Geschädigten kennt. Vielleicht nimmt er den Knopf dann auch irgendwann wieder mit in den Laden, aber wenigstens eine Weile möchte er ihn für sich haben. Wie einen engen Freund, den man ja auch nicht mit jedem teilt.
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Liebe Menschen der Redaktion…
Liebe Menschen der Redaktion,
wieder mal hat mir Chrismon grosse Freude bereitet.
Mir bleibt die Spucke weg beim Anblick von Ottilie W.Roederstein. Es ist zwar ein ganz anderer Ausdruck- aber Monalisa sieht dagegen sehr blass aus.
Danke auch für die kompetente und einfühlsame Textbegleitung. Ich werde es gleich aufhängen
Und ich habe mich sehr gefreut über den vorgestellten Paul Knopf, ein origineller Mensch mit einem so besonderen Leben.
Individueller geht kaum. Tolle Fotos. Mehr solche Originale braucht unser Land.
Auch ich liebe Knöpfe.
Eine Knopfgeschichte: Meine Mutter hat im Krieg genäht und gestrickt und brauchte dafür Knöpfe, die zu der Zeit schwer zu bekommen waren. Schließlich wurden ihr Reh-und Hirschhornknöpfe angeboten. Auf Nachfrage hat der Herr gestanden, dass er sie in einer abgelegenen Kammer des Schlosses im Allgäu, seinem Arbeitsplatz, einfach abgeschnitten hat.
Die Menschen leben alle nicht mehr, aber diese tollen alten Knöpfe habe ich immer noch...
Weiter so! LG aus Aachen
Gabriele Martin
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Nach dem Studium der…
Nach dem Studium der täglichen Greueltaten des neuen amerikanischen Präsidenten in der Frankfurter Allgemeinen auf die beiliegende Chrismon gestoßen - und damit war der Tag dann doch noch gerettet.
Der Artikel über Paul Knopf und sein unvergleichliches Universum der Knöpfe, geschrieben mit Detailkenntnis und viel Zuneigung, hat‘s dann noch rausgerissen. Recht vielen Dank für diese unerwartete Rettung aus depressiver Stimmung.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Vogt
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