Krieg
Schleichende Militarisierung
Deutschland rüstet auf, nicht nur sprachlich und medial. Ein Zwischenruf der Theologin Margot Käßmann
Schleichende Militarisierung
Der Krieg schleicht sich in unseren Alltag: in der Sprache, in den Medien, in den Schulen
Carolin Löbbert
Evelyn Dragan
08.01.2025
7Min

"Helden", "Blutzoll", "Tapferkeit", "Ehre", "Soldateska", "Schergen" – solche Begriffe sind inzwischen Teil des alltäglichen Sprachgebrauchs in den Medien geworden. "Sprache schafft Wirklichkeit" – so lautet ein dem Philosophen Ludwig Wittgenstein zugeschriebenes Zitat. Und hier, in der Sprache, beginnt die Veränderung der Zivilgesellschaft: Bei Wahlen ist in den Kommentaren von "Bollwerk" und "Zweifrontenkrieg" die Rede. Der Begriff "Verhandlungen" wird mitunter in Anführungszeichen gesetzt. Außenministerin Annalena Baerbock erklärt sinngemäß, wir ­dürfen nicht "kriegsmüde" werden.

Verteidigungsminister Boris Pistorius meint gar, wir müssten "kriegs­tüchtig" sein. "Kriegstüchtig" – ­gerade von der Gesellschaft für Deutsche Sprache zu einem der Wörter des ­Jahres 2024 gekürt.

Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich ­unsere Gesellschaft spürbar verändert. Es gibt verschiedene Anzeichen für eine schleichende Militarisierung. Schauen wir zum Beispiel auf die Bundeswehr. Die Zahl der rekrutierten Minderjährigen steigt. Verteidigungsminister Pistorius wirbt für "Schnupperpraktika" und fordert den ungehinderten Zugang von Jugend­offizieren zu Schulen, um Jugendlichen den Dienst in der Bundeswehr schmackhaft zu machen. Ein neues Gesetz in Bayern verpflichtet Schulen und Hochschulen künftig zur Zu­sammenarbeit mit der Bundeswehr.

Die ehemalige Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger sagte, die Schulen sollten ein "unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr" ent­wickeln. Die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist in ­dieser Logik nur folgerichtig. Aber das Militär ist nicht die "Schule der Nation". In seiner Antrittsrede als Bundespräsident sagte Gustav Heinemann am 1. Juli 1969: "Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren habe, wie meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den Schulbänken lernte, sondern der ­Frieden ist der Ernstfall." In diesem Sinne wäre eine Bildungspolitik sinnvoll, die Friedenserziehung, Media­tion und gewaltfreie Konfliktbewältigung in den Lehrplänen verankert.

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Margot Käsmann möchte ich mit einem Schiller Zitat entgegnen: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt" (aus Wilhelm Tell).

Genau in dieser Situation sind wir. Es gibt keine Friedensbewegung in Russland, Käsmanns "Zwischenruf" würde dort ungehört verhallen, so bleibt der hiesige Pazifismus einseitig und ja, naiv. Es geht nicht darum agressiv auszuholen, sondern verteidigungsfähig zu sein. Und so ist Aufrüstung dringend geboten, für die Sichherheit der Enkelkinder. Leseempfehlung : Joschka Fischer, Die Krieg der Gegenwart und der Beginn einer neuen Weltordnung, Kiepenheuer und Witsch, 2025.

 

Elisabeth Tielsch

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Ich danke Margot Käßmann von Herzen für diesen Artikel, dem ich in allen Punkten zustimmen kann.

"Kriegstüchtig", welch ein Unwort! Als ich es zum erstenmal aus dem Munde unseres Verteidigungsministers (oder Kriegsministers?!)  hörte, stockte mir der Atem! Worte sind so verräterisch!  NEIN! Wir müssen friedenstüchtig werden! Aber das Wort FRIEDEN  wird immer kleiner in unserer Welt. Es gilt, Kriege zu ächten, zu verhindern, zu beenden.

Meinen Grundschulkindern vermittelte ich als Religionslehrerin schon früh, dass sie, statt Fäuste und Füße im Streit einzusetzen, ihren Verstand und Worte zu gebrauchen. Das kann man lernen und muss eingeübt werden. Wenn Annalena-Baerbock meint, "unsere Waffen helfen, Menschenleben zu retten", dann irrt sie. Waffen töten!!!

Und wenn die Milliarden Summen, die zur Vernichtung eingesetzt wurden und werden, zum Wohl der Menschen verwendet würden, hätten wir soziale Gerechtigkeit und Frieden. Denkt denn niemand darüber nach?

 

Monika Hader