Es fallen nicht viele Worte, als der israelische Journalist Yuval Abraham und der palästinensische Aktivist Basel Adra einander im Film zum ersten Mal begegnen. "How many homes remain in this village?", fragt Abraham. Darauf Adra: "Few remain." Und dann ist der "human rights Israeli" auch schon mittendrin im Kampf ums Land.
Wenige sind übrig . . . Was heißt das? Die Unschärfe ist typisch für den Film – und eins seiner Probleme. No Other Land wurde zwischen 2019 und Oktober 2023 in einer Region im Westjordanland gedreht, die sich über Jahrzehnte zu einem politischen Hotspot des Konflikts zwischen der israelischen Armee, der Siedlerbewegung und den ansässigen Palästinensern entwickelt hat: Die Lage ist kompliziert, und die ideologische Färbung vieler Stellungnahmen macht sie nicht übersichtlicher.
Masafer Yatta ist eine Agglomeration palästinensischer Dörfer in einer kargen Hügellandschaft, die im Sechstagekrieg von Israel besetzt, um die Wende zu den 80ern zum Truppenübungsgelände erklärt und später in den Oslo-Verträgen vorläufig als Staatsgebiet ausgewiesen wurde. Seit Ende der 90er kommt es zu Zwangsräumungen und zur Zerstörung palästinensischer Bauten.
Ein 20-jähriger Prozess am Obersten Gericht – nicht unser Gericht, tut der Film die verzwickte Rechtslage in den besetzten Gebieten ab – endete 2022 zugunsten der Israel Defense Forces (IDF) mit der Begründung, es habe früher keine dauerhaften Siedlungen hier gegeben, auch seien die Kläger zum großen Teil außerhalb der Area gemeldet. Die lebhafte palästinensische Bautätigkeit der letzten Jahrzehnte wäre somit illegal.
Mit dem Urteil und erst recht seit dem Massaker vom 7. Oktober hat sich die Situation verschärft; ein Beleg für die unbezweifelbare, zunehmende Siedlergewalt ist in No Other Land per Epilog zugefügt. Von der Räumung betroffen sind über 1000 Menschen. Aus der Perspektive der Palästinenser und der zahlreichen internationalen Organisationen, die in Masafer Yatta engagiert sind, handelt es sich hier um Kriegsverbrechen einer Besatzungsmacht, eine ethnische Säuberung.
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Der Film macht sich diese Haltung zu eigen: Er ist radikal parteiisch und mit seiner rissigen Montage, den suggestiven Close-ups und Nachtaufnahmen höchst immersiv. Yuval Abraham folgt den Spuren von Basel Adra und seiner Familie, die seit langem gegen die Besatzung kämpft. Ein wiederkehrendes Muster liefern die Proteste: Sobald Armee und Bagger anrollen, machen sich die Aktivisten aus der Umgegend – Haus und Tankstelle der Adras liegen offenbar nicht im Sperrgebiet – auf den Weg, um Widerstand zu leisten. Man sieht Gedränge und Handgreiflichkeiten, Väter, Mütter und Kinder, die Habseligkeiten bergen, sich den Räumkommandos entgegenstellen, die flüchten – in Höhlen, die früher den Schafhirten der Gegend als Unterkünfte dienten.
Ein Gefühl für die Topographie oder die Lebensweise der Menschen stellt sich nicht ein. Es kommen nur zerstreute, kaum ausgebaute Häuser ins Bild; ein Spielplatz und ein Hühnerstall, die von den IDF planiert werden, liegen völlig isoliert in der Landschaft. Die Handkamera übernimmt bereits die Haltung der Verfolgten, mit Reißschwenks und Fahrten über den Boden, bevor sie den Schauplatz einer Auseinandersetzung erreicht, kaum eine Situation wird in ihrer Entwicklung gezeigt: Der Zuschauer soll sich hier verlieren.
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Auch wer filmt, ist oft unklar – Abraham, Adra oder die Kamerafrau Rachel Szor? –, und das Originalmaterial mischt sich nahezu unentwirrbar mit Familienvideos und News-Bildern. In einer zentralen Sequenz etwa, die eine Rekapitulation des viel kolportierten Falls Harun Abu Aram eröffnet – der junge Mann wurde 2021 beim Kampf um einen Generator angeschossen und erlag später seinen Verletzungen –, suggeriert die Montage mit überlappendem Dialog, Abraham und Adra hätten das Geschehen direkt begleitet; tatsächlich ist das wichtigste Handykamera-Fragment Teil eines Videos, das möglicherweise von einem Nachbarn gedreht wurde und seit langem im Netz kursiert – aber auch keinen gültigen Beweis für den Ablauf der Tat liefert. Darauffolgende Aufnahmen der verzweifelten Mutter und von Aram, gelähmt im Krankenhaus, stammen aus dem Fundus des arabischsprachigen Senders Alghad und der Nachrichtenagentur der palästinensischen Autonomiebehörde.
Am Ende muss man die Unschärfe der Inszenierung wohl strategisch nennen. Sie macht No Other Land nicht hilfreich in der berechtigten und schmerzhaften Debatte um die Siedlungspolitik, die in der israelischen Gesellschaft selbst ja mit größter Vehemenz geführt wird: Den monolithischen Block aus Armee, Staat und Siedlern, den der Film vorstellt, gibt es nicht. Und angesichts der Tatsache, dass die Filmemacher auch schon mal ins Geschehen eingreifen, indem sie Konfrontationen mit den Truppen forcieren, stellt sich die Frage, ob No Other Land die Bilder nicht erst produziert, die seiner Kampagne dienen. Die Preise der Berlinale waren keine für einen herausragenden Dokumentarfilm; sie zeichneten eine politische Tendenz aus.