Wandbild "Vaterland" des Künstlers Günther Schäfer an der East Side Gallery in Berlin-Friedrichshain.
Übersprüht und beschädigt: das Wandbild "Vaterland" von Günther Schaefer an der Berliner East Side Gallery
Carsten Koall/dpa/picture alliance
Judenfeindlichkeit
Huch, bin ich etwa Antisemit?
Oft versteckt sich Antisemitismus hinter blumigen Worten. Unser Autor erklärt an Beispielen, wie Sie judenfeindliche Aussagen erkennen können
Tim Wegner
07.12.2023
9Min

Wenn man antisemitischen Aussagen auf die Schliche kommen will, führt an Definitionen kein Weg vorbei.

Die International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) definiert Antisemitismus als "eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen."

Für Felix Klein, den Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, sind die ersten Worte der IHRA-Definition entscheidend: eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden.

Antisemiten geht es nie um den konkreten Menschen, der zufällig neben ihnen im Bus sitzen könnte und mit dem sie mehr oder weniger viel verbindet. Es geht nie um das Individuum, sondern darum, dass vom Judentum – oder von dem, was man dafür hält – auf die einzelne Person geschlussfolgert wird. Das wäre auch bei Christen absurd. Eine kirchenferne Protestantin aus Schweden hat vermutlich herzlich wenig mit einem frommen Katholiken aus Nigeria oder Lateinamerika gemeinsam. Antisemiten aber sprechen jeder Jüdin und jedem Juden pauschal Eigenschaften zu, die sie dem Judentum nachsagen – zum Beispiel, verschlagen und falsch zu sein. Oder fremd und unberechenbar. Oder "im Hintergrund die Strippen zu ziehen", die Politik, die Wissenschaft, die Kultur zu manipulieren, die Medien zu kontrollieren.

Der Antisemitismus ist ein jahrtausendealtes Phänomen, er hat viele Erscheinungsformen, es gibt viele Arten. Zum Beispiel christlichen Antijudaismus, islamistischen Judenhass und israelbezogenen Antisemitismus.

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Sie möchten mehr über das Thema Antisemitismus erfahren?

Lesen Sie gern unsere chrismon-Inhalte zum Thema. Wir berichten regelmäßig über Antisemitismus, auch über christlichen Antijudaismus.

Die Bundeszentrale für politische Bildung aktualisiert ihr Dossier zum Thema fortlaufend, ein Besuch lohnt sich, klicken Sie dafür hier.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat im Internet eine Handreichung veröffentlicht, die hilft, antisemitische Codes und Metaphern zu entschlüsseln.

Die Initiative stopantisemitismus.de hat 35 antisemitische Aussagen gesammelt und erklärt, was an ihnen judenfeindlich ist – und auch, was Sie erwidern können, wenn Sie ähnliche Sätze hören oder lesen.

Woher kommt der Hass gegen Jüdinnen und Juden? Das ist das Thema der vierteiligen arte-Serie "Eine Geschichte des Antisemitismus".

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Der Autor meint: "Natürlich kann, darf und muss man fragen, ob die israelische Regierung und die Streitkräfte verhältnismäßig agieren." Wer sich diese Frage stellt, hat schon einen entscheidenden Fehler bei seinen Überlegungen angestellt. Dasselbe gilt für denjenigen, der sich fragt, ob die Hamaskämpfer am 7. Oktober 2023 verhältnismäßig vorgegangen sind.

Diese Fragestellungen dienen dazu, die jeweiligen Opfer einzuteilen in solche, die zum uneingeschränkten Bedauern und anschließender uneingeschränkter Empörung freigegeben sind und solche, die eben notwendig waren.

Ich möchte von niemandem abgeschlachtet oder in die Luft gejagt werden. Auch nicht, wenn er die schönsten Verhältnismäßigkeitsgründe vorbringen kann.

Fritz Kurz