Du hast starke Schmerzen. Ich denke manchmal, ich würde dir gern etwas abnehmen davon. Vielleicht zehn Prozent. Oder 15. Eins von den vielen Schmerzpaketen, die du da mit dir rumträgst. Das könntest du mir rüberreichen, dann ginge es dir etwas besser. Und mir ginge es gut, weil ich dir ein bisschen helfe und ich das kleine Paket gar nicht groß spüre.
Vielleicht sollte es eine App geben, mit der man sich am Ertragen von Schmerzen beteiligen kann. Ich logge mich ein, wische so lange auf dem Bildschirm, bis ich eine sympathische Person mit passendem Schmerz gefunden habe, übernehme fünf Prozent ihrer Kopfschmerzen, sie bedankt sich, alles prima. Jemand anders nimmt drei Prozent, eine Frau aus Berlin sogar zwölf. Für, sagen wir, zwei Stunden sind wir auf diese Weise verbunden. Bei mir würde es heute Nachmittag passen, wenn ich in diesem blöden Meeting sitze. Dann hätte das wenigstens einen Sinn.
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Ich nehme an, das merke ich gar nicht. Fünf Prozent von einer sympathischen Person mit chronischen Schulterschmerzen. Vielleicht ein Bauarbeiter Anfang 60. Der trägt keine Speiseimer mehr, kann nicht mehr arbeiten, sitzt mit kleinem Geld zu Hause. Da kann ich doch mal sagen, okay, ich hatte es besser, ich habe keine Schmerzen, ich übernehme da was.
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