chrismon: Sie sind zweimal an einem extrem gefährlichen Tumor in der Gesichtshaut erkrankt. Vor der Strahlentherapie sagte Ihr behandelnder Arzt, mit dem Sie auch befreundet sind: "Die Behandlung wird hart, ich bringe dich an den Rand des Abgrunds, lasse dich dort baumeln, dann hole ich dich zurück und bringe dich in Sicherheit." Würden Sie das auch zu einem Ihrer Patienten sagen?
Wolfram Gössling: Das ist in der Tat ein hartes Bild. Ich selbst würde das nicht sagen, weil es Patienten unter Umständen Panik macht. Mir hat das Bild aber geholfen, es gab mir das Gefühl, dass mein Arzt hinter mir steht mit allem, was er kann. Ich habe ihm komplett vertraut.
Sie sind Onkologe und wurden vor zehn Jahren selbst Patient. Sprechen Sie jetzt anders mit Ihren Patienten als früher?
Ich bin direkter, rede mehr auf Augenhöhe mit ihnen. Meist gehe ich offen damit um, dass ich selbst Krebspatient war, das schafft Nähe. Wenn ich jemandem eine Chemotherapie erkläre, sage ich: "Ich weiß, das wird anstrengend. Ich kenne das Kribbeln in den Fingern, weil ich es selbst durchgemacht habe. Ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man zerschlagen im Bett liegt und nicht aufstehen will. Aber ich weiß, dass es sich lohnt, weil wir alles tun wollen, um Sie am Leben zu erhalten."
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