Ein selbstgebasteltes kleines Fotobuch zeigt Fotos von Mia als Kleinkind in rotem Pulli und Teenager mit rausgestreckter Zunge, einmal betitelt als "Mini-Zicke" und einmal "Maxi-Zicke". Sie wurde 20 Jahre alt
Mia als Kleinkind und Teenager. Sie wurde 20 Jahre alt
Florian Thoß, privat
Kampf gegen die Drogensucht
Sie wollte es allein schaffen
Antje und Holger kämpfen darum, Pflegetochter Mia vor dem Schicksal ihrer drogensüchtigen Mutter zu bewahren. Lange sieht es gut aus. Als Kind entwickelt sie sich prächtig. Dann wird der schlimmste Alptraum wahr
Tim Wegner
Nasanin Montazeri
Aktualisiert am 13.12.2025
14Min

Im Herbst 2020 kommt Mia zurück nach ­Hause. Mia, der es so wichtig war, unabhängig zu sein. Die mit 18 Jahren sofort ausgezogen ist. Mager, aus­gelaugt sitzt sie auf der Couch vor Antje und ­Holger und weint sich alles von der Seele. Was sie in der Notunterkunft für Obdachlose erlebt hat, die gescheiterte Beziehung – vielleicht weint sie um viel mehr, Dinge, von denen ihre Pflegeeltern nichts ahnen. Was auch immer war, Antje und Holger hoffen, dass dies wirklich der Tiefpunkt ist. Dass Mia, fast 21, sich jetzt aufrappelt. Mia ist in ihrer Nähe, bereit, sich neu zu ordnen. "In Sicherheit", sagt Holger. Hoffnung.

Gut ein Jahr später im Ewigforst Sachsenwald: Pflegemutter Antje, die Freunde Laura, Melanie und Phil stehen im Halbrund um einen eigenwillig verästelten Baum, der sich über ein Herz aus Blumen am Boden wölbt. Der Name MIA ist daneben mit Stöckchen gelegt. Die vier Menschen halten Abstand zueinander. Am weitesten entfernt ist ­Melanie, in sich zusammengezogen. Phil starrt mit leerem Kopf auf Mias Namen. "Ich hab Mia hier oft angeschrien", sagt Antje leise. "Ich hab sie im Leben oft angeschrien", sagt Laura.

Den Kreis um den Baum schließen Trauer, Schuld, Vorwurf. Wut zwängt sich dazwischen, weil so viele wussten, dass Mia Drogen nahm, und nichts sagten. "Bestimmt räumt sie jetzt da oben kräftig auf", sagt Phil. Ein leises ­Lachen geht durch die Runde. Langsam rücken sie zusammen.

Mias Pflegeeltern fragen sich oft, ob Mia noch leben ­würde, hätten die Leute etwas gesagt. Auch deshalb haben sie sich an chrismon gewandt. Sie wollen ihre Erfahrung teilen, aufrütteln.

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Infobox

Mias Eltern haben einen Verein zur Prävention von Drogenabhängigkeit gegründet. Er heißt www.mia-mariechen.de

Dieser Text erschien erstmals am
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Sehr geehrtes Redaktionsteam,
bei der Erzählung Mias tragischer Geschichte geht es ja neben der berührenden Darstellung der trauernden Familie vor allem um Aufklärung, damit solche Schicksale möglichst vermieden werden können. Vor diesem Hintergrund beschäftigen mich die Angaben im Text: Es wird viel von Drogen und "konsumieren" gesprochen, welche Mia ins Grab gebracht haben. Wörtlich benannt wird immer wieder nur Gras. Das ärgert mich, da Cannabis keine Droge ist, die Menschen tötet. Sie kann Teil eines unverantwortlichen Umgangs mit weiteren Drogen sein und sie bringt ihre eigenen Probleme mit sich, natürlich. Aber mit Sicherheit ist Mia nicht am Konsum von Gras gestorben. Diese Klarheit und Hinweise darauf, um welche Drogen es denn tatsächlich ging, fehlen mir im Text. Denn solange alle illegalen Drogen in einen Topf geworfen werden und Kinder gleichzeitig ihre Eltern fröhlich Alkohol konsumieren sehen (was ja auch im Text als Droge mit den real gefährlichsten Auswirkungen in der Schwangerschaft benannt wird), sprechen diese Kinder mit ihren Eltern auch nicht offen über ihren eigenen Konsum. So werden wir das Problem nicht lösen, um das es im Text geht: Dass miteinander gesprochen wird, sodass Räume zur Intervention und Unterstützung entstehen. Und verhindert werden kann, dass Menschen an Drogen zugrunde gehen.
Mit freundlichen Grüßen
Inkeri Lüchem

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Sehr geehrte Damen und Herren,

ich erhalte die Ausgaben von chrismon zusammen mit meiner Rheinischen Post Düsseldorf.

Ich lese sie immer mit Interesse, aber die o.a. Ausgabe fand ich insgesamt besonders gelungen und gut geschrieben. Hier sind mir die Artikel "Mia's kurzes Leben" und "Ich will doch nur zur Ruhe kommen" besonders aufgefallen, was die anderen Berichte jedoch nicht schmälern soll.

Vielen Dank für Ihre Arbeit an diesem interessanten an Magazin

Dorothea Märker

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Sehr geehrtes Redaktionsteam,
bei der Erzählung Mias tragischer Geschichte geht es ja neben der berührenden Darstellung der trauernden Familie vor allem um Aufklärung, damit solche Schicksale möglichst vermieden werden können. Vor diesem Hintergrund beschäftigen mich die Angaben im Text: Es wird viel von Drogen und "konsumieren" gesprochen, welche Mia ins Grab gebracht haben. Wörtlich benannt wird immer wieder nur Gras. Das ärgert mich, da Cannabis keine Droge ist, die Menschen tötet. Sie kann Teil eines unverantwortlichen Umgangs mit weiteren Drogen sein und sie bringt ihre eigenen Probleme mit sich, natürlich. Aber mit Sicherheit ist Mia nicht am Konsum von Gras gestorben. Diese Klarheit und Hinweise darauf, um welche Drogen es denn tatsächlich ging, fehlen mir im Text. Denn solange alle illegalen Drogen in einen Topf geworfen werden und Kinder gleichzeitig ihre Eltern fröhlich Alkohol konsumieren sehen (was ja auch im Text als Droge mit den real gefährlichsten Auswirkungen in der Schwangerschaft benannt wird), sprechen diese Kinder mit ihren Eltern auch nicht offen über ihren eigenen Konsum. So werden wir das Problem nicht lösen, um das es im Text geht: Dass miteinander gesprochen wird, sodass Räume zur Intervention und Unterstützung entstehen. Und verhindert werden kann, dass Menschen an Drogen zugrunde gehen.
Mit freundlichen Grüßen
Inkeri Lüchem