Erst beim zweiten Blick auf die Traueranzeige fällt eine Besonderheit auf. Neben den Lebensdaten der Toten ist der Termin für eine kirchliche Trauerfeier zu lesen. Und zugleich erfährt man: Die Beerdigung selbst findet in einem ganz anderen Rahmen statt. Freunde der Familie haben schon erfahren: Es wird eine Trauerfeier mit Pfarrer sein, aber ohne Gang zum Grab. Und ohne die Urne. Offensichtlich ist die jetzt Verstorbene schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten und hat eine kirchliche Beerdigung für sich abgelehnt.
Pfarrer*innen sollen und wollen Menschen begleiten, wo immer es möglich ist. Aber das bedeutet bei Ausgetretenen nur in Einzelfällen einen Gang zum Grab. Jede Landeskirche hat Leitlinien, denen zufolge die kirchliche Bestattung grundsätzlich auf Kirchenmitglieder beschränkt ist. Die lutherisch geprägten Landeskirchen sind darin meist besonders streng. Inzwischen lockert sich dieser Grundsatz behutsam, wie auch schon zuvor bei den nicht lutherischen Landeskirchen.
Für viele Menschen ist eine traditionelle kirchliche Bestattung der würdevollste Rahmen für den Abschied von einem geliebten Menschen. Doch weil die Zahl der Kirchenaustritte seit Jahren auf hohem Niveau liegt, steigt auch die Zahl derer, die zwar kirchlich geprägt, aber eben konfessionslos sind – und deren Angehörige gleichwohl religiösen Trost erhoffen.
Eine kirchliche Bestattung ist aber nicht einfach eine Wahlleistung, die Angehörige beim Bestatter nach Gutdünken "zubuchen" können. Und als absolute Grenze gilt: Hat der Verstorbene für sich eine kirchliche Bestattung ausgeschlossen, können die Angehörigen noch so sehr darauf drängen – es gibt sie nicht. Der Verstorbene wollte es schließlich so.
Andererseits gilt: Es geht bei einer Bestattung vor allem um den Trost für die Angehörigen. Deshalb ist es letztlich in die Verantwortung der Pfarrerin, des Pfarrers gestellt, ihrer Bitte um eine kirchliche Bestattung zu folgen. Den Ausschlag dafür könnte geben, dass der aus der Kirche Ausgetretene doch noch eine religiöse Bindung hatte. Ein anderer Grund könnten besonders dramatische Todesumstände sein, die die Angehörigen tief in Trauer stürzen – etwa eine Gewalttat, ein böser Unfall, ein quälendes Sterben.
Wenn sich Angehörige Trost im christlichen Glauben erhoffen, dann muss eine Pfarrerin, ein Pfarrer schon massive Gründe haben, sich dieser Bitte zu verweigern. Es gehört zu ihrer wichtigsten Aufgabe, an das biblische Versprechen zu erinnern, dass sich Gott den Menschen ohne Ansehen ihrer Person und ihrer religiösen Verdienste zuwendet.
Seelsorge an Trauernden und ein würdevoller Abschied vom Toten sind kein strenges Exklusivrecht für Kirchenmitglieder, sondern sollen auch anderen Trauernden offenstehen. So heißt es zum Beispiel in den "Grundlinien kirchlichen Handelns" der evangelischen Nordkirche von 2020: "Ein Gottesdienst anlässlich einer Bestattung kann auf Wunsch trauernder Gemeindeglieder als Ausdruck der Seelsorge und Anteilnahme stattfinden – auch dann, wenn die verstorbene Person selbst nicht Mitglied einer Kirche war." Aber auch in einem solchen Fall wird die Rede sein von der christlichen Auferstehungshoffnung.
Eine Trauerfeier ("Trostfeier") muss also nicht unbedingt einer kirchlichen Bestattung im klassischen Sinn entsprechen, also mit dem Gang zum Grab. Ein Pfarrer, eine Pfarrerin kann den Angehörigen auf vielfältige andere Weise Trost spenden, sei es in einem separaten Gespräch oder auch in einem sogenannten "Trostgottesdienst".
Und was kostet eine Trauerfeier? Auch wenn Pfarrer oder Kirchengemeinde es weder einfordern noch erwarten: Für die kirchliche Bestattung eines Ausgetretenen, der sich Jahre, wenn nicht Jahrzehnte die Kirchensteuer sparte, ist eine finanzielle Anerkennung nicht falsch. Solidarität und Gemeinschaft sind keine Einbahnstraße. Denn hinter jedem Pfarrer, jeder Pfarrerin stehen eine Gemeinde und zahlreiche Sozialeinrichtungen, eine umfassende Infrastruktur, die Gemeinschaft der Kirchensteuerzahler. Sie alle verdienen Respekt und Anerkennung.
Beim Lesen dieses Artikels
Beim Lesen dieses Artikels kann der Eindruck entstehen, dass es einen direkten
Zusammenhang gibt zwischen Kirchensteuerzahlung und kirchlicher Bestattung.
Dem ist jedoch nicht so. Nach christlichem Verständnis ist die Taufe ein
Akt, durch den die Mitgliedschaft in der Kirche dauerhaft begründet wird und
damit nicht aufhebbar ist. Also: einmal getauft, immer Mitglied der
Glaubensgemeinschaft. Dem gegenüber steht die Amtskirche als kirchensteuer-
berechtige öffentlich-rechtliche Körperschaft, aus der man sehr wohl austreten
kann. Gegen diese Auffassung wehren sich die Amtskirchen schon seit langem aus diversen
Gründen.
Werner Koschorreck, Essen
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