chrismon: Frau Schaarschmidt-Davids, gibt es in der Bestattungskultur einen Trend zur Individualisierung?
Janna Schaarschmidt-Davids: Früher war die Gestaltung der Trauerfeier eine Frage der Tradition und der Repräsentanz innerhalb der Gemeinschaft. Man richtete sich nach den Mottos "Das macht man so" und "Was sollen die Leute denken?". Heute sind wir alle freier und sensibler für emotionale und psychische Aspekte. Vorsorgende Kunden oder hinterbliebene Angehörige setzen sich zunehmend über Traditionen hinweg und suchen eine individuelle Form des Abschieds, die für sie stimmig ist.
Janna Schaarschmidt-Davids
Welche Veränderungen der Bestattungskultur sehen Sie in den Entscheidungen Ihrer Kunden?
Die Dekoration, die Beleuchtung, die Musik und die Kleidung, die man für eine Trauerfeier wählt, beeinflussen die Trauererfahrung. In unserer Kultur ist die traditionelle Trauerfeier oft auch ästhetisch ein sehr düsterer Moment. Bis vor kurzem war es selbstverständlich, dass die Bestatter bei der Trauerfeier schwarze Anzüge tragen. Das wurde gar nicht anders angeboten. Wenn man sich aber die Zeit nimmt, solche Dinge beim Beratungsgespräch zusammen mit dem Kunden zu überlegen, entscheiden sich viele für andere Farben, eine positive Atmosphäre und wünschen sich auch explizit, dass wir keine schwarzen Anzüge tragen.
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Wie kann man den Umgang mit dem Thema Tod noch positiver gestalten?
In vielen Familien fehlt es an offener Kommunikation. Die ältere Generation hat das Bedürfnis, darüber zu sprechen, die jüngere verdrängt das Thema. Wir bieten inzwischen einen Informationsabend an, "Wie sage ich es meinem Kind?", für Senioren, die eine Bestattungsvorsorge machen und ihre Angehörigen miteinbeziehen möchten.
Ist also manchmal fehlplatziertes Feingefühl das Problem?
Ja. Ein konkretes Beispiel: Früher war es häufig so, dass Verstorbene in Seniorenheimen durch den Hinterausgang rausgebracht wurden, die anderen Bewohner sollten nicht mit dem Thema Tod konfrontiert werden. Ein Seniorenheim, in das wir gerufen wurden, war so ungünstig gebaut, dass wir mit dem Sarg durch den Speisesaal mussten. Das Personal schlug vor, wir sollten erst am Nachmittag kommen, wenn die Bewohner nicht in der Nähe des Speisesaals sind. Ein älterer Herr hörte das und sagte: "Wo ist denn das Problem? Wenn sie hier durchgehen, dann stehen wir eben alle Spalier. Wer stehen kann, steht, wer nicht, bleibt sitzen, aber das ist für uns alle die Gelegenheit, Abschied zu nehmen und den Verstorbenen zu würdigen." Das Spalierstehen fanden die Bewohner so würdevoll und stimmig, dass es sich in diesem Seniorenheim als Ritual etabliert hat. Anstatt die diskreteste Uhrzeit zu wählen, geben wir jetzt dem Pflegepersonal Bescheid, kurz bevor wir mit dem Verstorbenen durch den Saal kommen, damit sie alle, die Abschied nehmen möchten, dazuholen können.