Mentale Gesundheit nach der Geburt
Total erschöpft
Keine Freude. Keine Liebe. Nichts. Eine junge Mutter erkrankt an einer Wochenbettdepression. Wie hat sie das überstanden?
Wochebettdepression
Wenn das Kind da ist, muss es Liebe sein: Wochenbettdepression ist immer noch ein Tabu
Rabea Edel
Aktualisiert am 29.01.2025
10Min

Sie hatte sich sehr darauf gefreut, wieder ­Mama zu werden. So wie sie es bei ihrem Sohn ­Lukas* erlebt hatte. Als er geboren wurde, 2018, war sie "im siebten Himmel", wie Christiane Berger sagt, sie hat ihn gern gestillt, zehn Monate lang. Anfang 2021 wurde ihre Tochter Lea geboren, fast fünf Kilo schwer, 57 cm lang, ein ungewöhnlich großes Baby, kräftig und agil. Nach der Geburt merkte Christiane Berger, dass sie wenig Freude an Lea hatte. Im Gegenteil. Lea war das kleine Monster, der Piranha, ständig hungrig, das Stillen tat der Mutter weh, sie hatte Brustentzündungen. Manchmal rief sie: "Aua, Lea!", erinnert sie sich. Gleichzeitig schämte sie sich, beschimpfte sich selbst: Du bist eine undankbare Mama, eine Rabenmutter, schließlich ist die Kleine doch gesund. Warum konnte sie sich nicht darüber freuen, dass ihr Baby so wunderbar riecht wie alle Neugeborenen? Vielleicht, fragte sie sich, war ja sie selbst das Monster und nicht ihr Kind?

Die Schwangerschaft war ohne Probleme verlaufen, doch die Geburt war heikel ge­wesen. Zunächst lief alles gut, aber nach der Geburt verlor Christiane Berger sehr viel Blut, weil die Gebärmutter plötzlich in sich zusammenfiel – bei manchen Müttern ­passiert so etwas, gerade wenn die Kinder ein hohes Geburts­gewicht haben. Christiane Berger wurde in Narkose versetzt, die Blutung gestoppt, danach war sie total geschwächt. "Nach der Geburt schaffte ich es kaum, Lea zu halten. Erst am nächsten Tag habe ich sie ­wiedergesehen.

Ich hatte das Gefühl: Sie ist stärker als ich, ihr Körper hat viel mehr Kraft als meiner." Als sie zu Hause war, hatte sie ­Mühe, aufzustehen, ihr Mann Martin musste Lea ­wickeln, sie beruhigen, wenn sie weinte, seiner Frau Wasser ans Bett bringen. Martin war Mutter und Vater in einem, sie selbst fühlte sich als Totalausfall. "Mein Mann war oft gereizt und ich hatte ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber. Wir konnten uns gar nicht gemeinsam über das Kind freuen", sagt die 28-Jährige. Die Freundinnen blieben überwiegend aus – wegen Corona. Es war ein einsames Wochenbett, ohne Besuche und Umarmungen. Nach ­einigen Wochen kamen ihre Kräfte allmählich zurück. Kurz darauf begann die Depression.

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Hilfsangebote

Die Wochenbettdepression wird auch post­partale Depression (PPD) genannt. Häufig ­können sich die betroffenen Frauen nicht oder kaum über ihr Kind freuen und haben Schwierig­keiten, ihre Aufgaben als Mutter zu ­erfüllen. Frauen, die in ihrem Leben bereits ­depressive Episoden durchlebt haben, tragen ein höheres Erkrankungsrisiko.

Die Symptome treten innerhalb der ersten zwölf Monate nach der Geburt des Kindes auf. Studien weisen darauf hin, dass etwa zehn bis 15 Prozent der Frauen betroffen sind, es gibt aber ­eine hohe Dunkelziffer. Wochenbett­depressionen – nicht zu ­verwechseln mit dem sogenannten Babyblues, der kurz nach der ­Geburt auftritt und nur wenige Tage andauert – sind häufig gut behandelbar.

Unterstützung für betroffene Mütter bietet die Selbsthilfe­organisation Schatten & Licht mit Informa­tionen, einem Selbsttest und Hilfsangeboten. Außerdem das Netzwerk Frühe Hilfen mit ­Angeboten für Eltern ab der Schwangerschaft und mit Kindern bis drei Jahre.

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Sehr geehrtes Team,
mit Interesse lese ich jede Ausgabe von Chrismon.
Es ist schön, dass Frau Berger den Weg aus der Depression gefunden und eine Bindung zu ihrer Tochter aufbauen konnte. Die Zeit des Ehemannes als "Vatermutter" war bestimmt nicht leicht, aber ich möchte erwähnen, dass es Millionen alleinerziehende "Mütterväter" gibt, die in sehr schweren Situationen oftmals keine Unterstützung von Eltern wie Herr Berger haben, weil die Elternteile in einer anderen Stadt leben und sie deshalb vieles alleine stemmen müssen.
Ch.Goebel, Bonn

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Liebes Redaktionsteam,
in seinem Buch "Die neue Medizin der Emotionen - Stress, Angst,
Depression: gesund werden ohne Medikamente" schreibt David Servant-Schreiber auch etwas zum Thema Wochenbettdepression, dass mich ungeheuer beeindruckt hat, nämlich dass Embryos der Mutter Omega3 Fettsäuren entziehen. Deshalb kommt es beim zweiten oder dritten Kind häufiger zu Wochenbettdepressionen. Beeindruckt hat es mich deswegen, weil diese Depressionen so schlimm und traumatisch für Mutter und Kind sind, während die Lösung ganz einfach ist - während der Schwangerschaft sollten vermehrt Omega3 Fettsäuren zusätzlich gegessen/ genommen werden, z.B. Leinöl (leider finde ich die genaue Seite nicht mehr und kann deswegen nicht zitieren).
viele Grüße und Danke für die vielen interessanten und berührenden Artikel.
Digne Krüger, Frankfurt