Rasissmus - Von wegen alle gleich!
Anfragen für Antirassismus-Seminare von der VEM mit Sarah Vecera und Lusungu Mbilinyi unter: antirassismus@vemission.org
Privat
Gegen Rassismus in der Kirche
Von wegen alle gleich!
Christen wären so gern die besseren Menschen. Aber sind sie es? Theologin Sarah Vecera sensibilisiert für Rassismus in der Kirche
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
06.07.2022
4Min

Wie bitte, Rassismus in der Kirche – kann das sein? Ja, es kann. Sarah Vecera, 38 Jahre, hat ein Buch darüber geschrieben: "Wie ist Jesus weiß geworden? Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus". Zwei Wochen nach Erscheinen musste das Buch neu aufgelegt werden – und das bei einem Thema, das den einen unangenehm ist und das andere weit von sich weisen: Rassismus. Klar ist man dagegen. Aber selbst rassistisch – ich doch nicht!

Sarah VeceraPrivat

Sarah Vecera

Sarah Vecera ist Theologin und Religionspädagogin und Mitarbeiterin der Vereinten Evangelischen Mission (VEM). Auf ihrem Instagram @moyo.me und in ihrem VEM-Podcast "Stachel und Herz" kommt sie mit Menschen über Diskriminierung in der Kirche ins Gespräch und stellt sich immer wieder die Frage, wie Kirche ein sicherer Ort für alle werden kann. Sie ist Autorin des Buches "Wie ist Jesus weiß geworden? Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus".

Sarah Vecera überwindet diese Abwehr­haltung. Was hat diese Autorin, das andere nicht haben? Treffpunkt in der Wuppertaler Hauptverwaltung der Vereinten Evangelischen Mission (VEM), die sich seit 30 Jahren dem Rassismus entgegenstellt und aus früheren Missionskirchen gleichberechtigte Mitglieder gemacht hat. Einem Missionswerk, das nun froh ist über ihre Mitarbeiterin Sarah Vecera, die so sicher gewinnende Worte findet.

Unten lärmt der Verkehr über die Wuppertaler Rudolfstraße. Ein gepflasterter Vorplatz, eine breite rote Treppe. Sarah Vecera ist verheiratet, Mutter zweier Kinder, Referentin der VEM mit dem Schwerpunkt "Rassismus und Kirche", stellvertretende Leiterin einer Ab­teilung, ordinierte Prädikantin. Sie trägt eine pinke Strickjacke, hat ihre dichten schwarzen Locken über einem Seitenscheitel geteilt. Sie strahlt, wenn sie spricht. Erst mal ­Cappuccino in der Cafeteria ziehen, dann ab auf den ­Balkon in die Sonne.

"... dieses Unbehagen"

Sie erzählt von ihrer Kindheit im Haus ­ihrer Großeltern, bei denen sie aufwuchs. Die Eltern trennten sich früh, zogen zu ihren ­neuen ­Partnern. Sie erzählt von ihren ­jüngeren Brüdern, die richtig Mobbing erlebten, wegen ihrer Hautfarbe. Bei ihr war es lediglich dieses ­Unbehagen, wenn die Freundinnen sie "Mokka" nannten. Wenn man sie nach der Herkunft fragte und die richtige Antwort nie ­"Oberhausen" war, sondern: "Mein Vater kommt aus Pakistan." Wenn sie bei der Modenschau im Kindergarten mit der einzigen anderen "Person of Color" (Vecera buchstabiert englisch: P, O, C), einem Jungen, in exotischen Klamotten auftreten musste, während ihre Freundinnen aussuchen durften, wie und mit wem sie auftraten. Wenn in der weiterführenden Schule klar war, dass sie beim Theaterstück "Dschungelbuch" den Affen King Louie spielen musste.

Sie dachte: "Es liegt an mir, ich bin auch nicht so gut, ich bin nur für bestimmte Rollen da." Bis sie mit Mitte 20 von Schwarzen deutschen Frauen las, von May Ayim und Noah Sow. Bei ihnen fand sie Worte für das, was die ganze Zeit dieses Unbehagen ausgelöst hatte.

"Black lives matter"

Und dann erstickte ein Polizist den 46-jährigen US-Bürger George Floyd. Die Protestbewegung "Black Lives Matter" schwappte nach Deutschland rüber. Auf einmal begannen selbst weiße Deutsche über das zu reden, was immer da war, aber niemand aussprechen durfte: Rassismus.

Eine Freundin aus der Schulzeit sprach Sarah Vecera an. Sie waren zusammen in der Grundschule, auf dem Gymnasium, die Freundschaft hält bis heute. Die ­Freundin sagte: "Mensch, da war so vieles, was du erlitten hast, ich habe das gar nicht gewusst." – Sarah Vecera runzelt die Stirn, wenn sie das nacherzählt, hebt die Schultern, hält die Handflächen hoch und sagt, fast schon ­entschuldigend: "Weil sie sich viel mit ­Rassismus auseinandergesetzt hat, und weil ich ihre ­einzige PoC-Freundin war, sind bei ihr Scham- und Schuldgefühle aufgekommen. Aber um mich herum waren ja alle weiß. Ich habe ja nicht im Blick gehabt, dass sie jetzt besonders rassistisch zu mir war. Ich fange ja nicht an, bei Einzelnen was zu suchen."

Die "weißen Menschen" lebten in einem Happyland, schreibt Tupoka Ogette in ihrem Bestseller "Exit Racism". Alles sei schön, alle seien lieb, von einigen kleinen Ausrutschern abgesehen. – Nur dass für die anderen, die nicht im Happyland leben, für die PoC, jeder kleine Ausrutscher ein Schlag in die Magengrube ist. Weil sie signalisiert bekommen: Du bist anders. Du gehörst nicht dazu. Von einem "rassistischen Grundrauschen" spricht Vecera. Ständig frage sie sich: "Lohnt es sich, das anzusprechen oder nicht – und dann kommt der Spruch: Jetzt übertreibst du aber."

"Wir lassen das gebrochene Bein links liegen"

Sarah Vecera sensibilisiert dafür, nachdenklich, empathisch. Sie erzählt, wie der ­langjährige Mitarbeiter bei einer kirchlichen Freizeit während der Andacht betont, Gott liebe alle gleich; wie er von marginalisierten Menschen spricht und dabei die ganze Zeit den einzigen PoC-Jungen auf der Freizeit anschaut. Den Jungen beschäftigt das, er erzählt es daheim seiner Mutter, die ruft den Pfarrer an, das Wort "Rassismus" fällt, und der Pfarrer empört sich: Ein schwerer Vorwurf! Das dürfe die Mutter so nicht sagen! Vecera vergleicht die Szene mit einem Unfall: "Wenn ich jemandem das Bein breche, sage ich: ‚Es tut mir leid‘, und dann kümmern wir uns um das gebrochene Bein. Aber beim Rassismus ist es anders. Wir kümmern uns um den Unfallverursacher, dem es total leidtut, dass er das Bein gebrochen hat. Und lassen das Bein links liegen."

Oder auch das: Eine Schwarze Frau nimmt beim Abendmahl einen Schluck und sieht: Hinter ihr verweigern alle den Kelch.

"Hier gibt es keinen Rassismus", schreiben Kirchengemeinden an ihre Eingangstüren. Sie geben sich aus als "Safer Space", als ein vor Anfeindungen sicherer Ort. "Aber mit ­diesem Anspruch", so erklärt es Vecera, ­"gerade in Deutschland mit unserer NS-­Geschichte, kommt mit den Alarmglocken auch die Abwehrhaltung hoch, und es heißt: ‚Das kann doch nicht sein, das hat die Person nur gut gemeint.‘ Gerade in der Kirche passiert das ganz häufig."
"Ich hoffe, dass ich nicht so anklagend ­wirke, so moralisch", sagt Vecera und streckt sich in die Sonne. Tut sie nicht.

"Wir wollen doch zu den Guten zählen"

Sie möchte, dass Kirchengemeinden ent­decken, wie spannend die Auseinandersetzung mit dem Rassismus ist. Wie man dabei den Kern der christlichen Botschaft wiederent­decke, die Rechtfertigungslehre, dass wir uns der Gnade sicher sein könnten, sagt Vecera, "auch, wenn wir alle fehlerhaft sind. Wir ­predigen es zwar, aber ­verinnerlicht haben wir es doch noch nicht. Wir hängen daran, dass wir doch zu den Guten zählen" – zu denen, die niemals andere verletzen wollen.

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Liebe Redaktion!
Ich weiß nicht, ob es jemand anderem 'da draußen' genauso geht: seit einiger Zeit lässt mich der Gedanke nicht mehr los, dass, "mit Gott im Gepäck", einige 'Themen' in der Kirche sehr anders 'traktiert' werden könnten. Will sagen: meines Erachtens ist der einzelne Mensch, sei er Rassist, Nicht-Rassist, Anti-Rassist, zufällig kirchlich gesinnt oder nicht, Pro dieses oder Contra jenes, an keiner Stelle seines Egos empfindlicher, als an dem Ort, wo konkret von Gott die Rede ist.
Freundliche Grüße, Gerhard Engel

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