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Muhammad Ali war ein famoser Boxer. Sein Stil war so außergewöhnlich, dass sich selbst hierzulande dem Boxsport eher abgeneigte Menschen auf vier Uhr nachts den Wecker stellten, um Ali kämpfen zu sehen. Beim legendären "Thrilla in Manila", dem dritten und intensivsten Kampf gegen Joe Frazier, war Ali seinen eigenen Worten zufolge dem Tod "so nahe" gekommen wie nie zuvor und nie mehr danach. Und tatsächlich: Wer sich die Bilder dieses Fights noch mal anschaut, der muss unweigerlich meinen, der Nahtoderfahrung zweier unglaublicher Kämpfer beizuwohnen. Kein Wunder, dass Ali – wie auch der Titel von Jan Philipp Reemtsmas Buch über ihn treffend ausdrückt – schnell "mehr als ein Champion" war und bis über seinen Tod hinaus geblieben ist.
Lukas Meyer-Blankenburg
Gerade weil er so ein begnadeter Boxer war, hatten seine Worte und Taten Gewicht. Und was er sagte und tat, kränkte die weiße US-Gesellschaft, frei nach Freud, dreifach. Ali wagte es, seinen Sklavennamen Cassius Clay abzulegen. Ali wagte es, zum Islam zu konvertieren. Und er wagte es, sich dem Kriegsdienst in Vietnam zu verweigern ("I ain’t got no quarrel with them Vietcong."). Wenn Joe Frazier im Ring auf ihn einhämmerte, muss ihn das nicht so getroffen haben, wie die Ablehnung weiter (und vor allem weißer) Teile der US-amerikanischen Bevölkerung.
Die etlichen Spitzen (um zum Bild zu kommen) gegen ihn, seinen Lebensstil und seine Ansichten mögen ihn dazu verleitet haben, sich für das Cover des "Esquire"-Magazins im April 1968 als heiliger Sebastian, ein spätantiker christlicher Märtyrer, ablichten zu lassen. Nicht am Marterpfahl von den Pfeilen numidischer Bogenschützen durchbohrt, sondern im Fotostudio mit Boxershorts und etwas Kunstblut um die sechs Pfeilattrappen im Leib.
Ali stand zu seinem Glauben wie Sebastian
So wie Sebastian im dritten Jahrhundert wollte Ali im 20. Jahrhundert zu seinem Glauben stehen. Und wie die Pfeile einst Sebastian trafen, trafen die Anfeindungen aus Politik und Gesellschaft den Boxer und das Nation-of-Islam-Mitglied Muhammad Ali.
Hier abgedruckt ist jetzt allerdings nicht das Magazincover von 1968. Der Künstler Samuel Fosso hat sich täuschend echt als Muhammad Ali in Szene gesetzt und dann selbst fotografiert. Der Neigungswinkel des Kopfes, die Beinstellung, wie die Pfeile angeordnet sind: Fosso kommt dem Original sehr nahe. Die peinlich genaue Imitation berühmter Porträts ist seine Art, bedeutenden Persönlichkeiten (vor allem der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, aber nicht nur) künstlerisch Respekt zu zollen.
Der gebürtige Kameruner Fosso floh um 1970 als Jugendlicher aus dem kriegszerrütteten Biafra, machte sich mit 13 Jahren in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, als Porträtfotograf selbstständig. Abends, wenn die Kunden weg, aber noch Bilder auf der Filmrolle übrig waren, knipste Fosso sich selbst in den unterschiedlichsten Posen. Er experimentiert mit Kleidung und Gestik, spielt mit Geschlechterrollen – mal ist er Angela Davis, mal ein schwarzer Papst. Aber er hält sich streng ans klassische Porträtprinzip, keine Schnörkel, keine digitale Nachbearbeitung. Seine Kunst wirft eine spannende Frage auf: Wie kann die Kopie des Originals dem Original huldigen? Nun, vielleicht indem die Kunst das Original erst zur Legende macht.
Mehr als ein Champion
Die Bilder von Samuel Fosso als Muhammad Ali, als Martin Luther King jr. und als Patrice Lumumba stammen allesamt aus seiner Serie "African Spirits" von 2008, die der Künstler als Hommage an entsprechende Personen und ihren Einsatz für Afrikaner und Schwarze auf der ganzen Welt verstanden wissen will.
Wer sich die Originale neben die Imitationen Fossos legt, kann erleben, wie sich die ursprünglich porträtierten Personen erst in der künstlerischen Kopie in die Legenden verwandeln, als die sie heute noch verehrt werden. Probieren Sie es aus. Nach dem Blick auf Fossos "Muhammad Ali" werden Sie mit anderen Augen auf das entsprechende Titelbild des "Esquire" blicken. Erst in der künstlerischen Kopie schält sich das Ikonische des Muhammad Ali heraus. Oder, um es näher an Ali zu formulieren: Durch die imitierte Geste und Haltung, die Samuel Fosso vornimmt, tritt Muhammad Ali als derjenige vollends in Erscheinung, der er gerne sein wollte und auch war: mehr als ein Champion.