In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?
Hans-Eckardt Wenzel: Eigentlich bin ich ein großer Rationalist. Aber auf der Bühne glühe ich. Dort denke ich nicht viel, konzentriere mich auf das Wesentliche: das Lied und die Emotionen, die meine Band und ich erzeugen. Sicher hat das auch was Narzisstisches – man muss immer aufpassen, die Eitelkeit ist nicht umsonst eine Todsünde.
Haben Sie eine Vorstellung von Gott?
Ich habe ein pantheistisches Weltbild: Ich glaube, dass es einen Zusammenhang gibt, der außerhalb unseres Wissens steht. Groß geworden bin ich in einem atheistischen Elternhaus. Mein pubertärer Protest bestand darin, dass ich mich zwei Jahre mit der Bibel beschäftigt habe, und dabei entdeckte ich die Psalmen, die ich – in der Lutherübersetzung – noch immer für die größte Lyrik halte. Vor einigen Jahren habe ich Psalmen vertont und zum 39. eine Collage gemacht: "Wende von mir deinen Blick / Dass du spürst, wenn ich dir fehle, / was dann fehlt zu deinem Glück / Deinem Sinn und Deiner Seele." Ich finde, dass es ein großer Defekt ist, wenn wir uns nicht auf ein göttliches Prinzip beziehen. Das 20. Jahrhundert hat es ohne Gott versucht, und das ist überhaupt nicht geglückt.
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Fragen an das Leben: "Ich bin ein Anlassdichter"
Hans-Eckardt Wenzel lässt uns mit diesem Beitrag an so vielen klugen Gedanken teilhaben, dass ein Widerspruch besonders ins Auge fällt. Oer Lyriker und Lieder macher bekennt sich zu einem pantheistischen Weltbild, versteht unter "Unsterblichkeit" aber lediglich die Erinnerung der Lebenden an den Verstorbenen. Wie passt das zusammen?
Uwe Tünnermann
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