Zum einen ist da die betagte Katzendame Hanni. Sie kann nicht mehr richtig miauen – da kommt nur ein, nun ja, verrostetes Geräusch aus ihrer Kehle – und wenn sie versucht aufs Sofa zu springen, braucht sie mehrere Anläufe. Hanni wäre in Menschenjahren etwa 90 Jahre alt. Sie schläft fast den ganzen Tag, verbringt quasi ihren Lebensabend in der Wohnung. Was ihr wahrscheinlich selbst nicht bewusst ist: Sie ist eine große Hilfe für meine Freundin, die an Depressionen leidet.
Die Katze bringt Struktur in ihr Leben. Mehrmals am Tag braucht sie Futter und frisches Wasser. Das Futter kommt nicht von allein in die Wohnung, dafür muss meine Freundin einkaufen gehen. Etwas, das sie immense Überwindung kostet. Ihr eigenes Abendbrot bestellt sie deshalb meist beim Lieferservice. Für Hanni wagt sie den Gang in den Supermarkt.
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Zum anderen sind da Salomée, Milhouse und Cupcake. Die drei Katzen haben mich meine Kindheit über begleitet. Vielleicht ist begleitet auch zu viel gesagt, aber sie waren immer da. Nur halt draußen. Streicheln konnte ich sie nicht. Sie waren zu scheu. Ich selbst konnte als Kind nichts mit Katzen anfangen, die nicht schmusen wollten. Für mich waren sie nach wenigen Wochen uninteressant. Allerdings habe ich zahlreiche Szenen im Kopf, in denen mein Vater vor der gläsernen Gartentür auf den vermoderten Gartenmöbeln lehnt, seine Pfeife stopft und mit den Katzen spricht.
Mein Vater raucht Pfeife seit ich denken kann. Er begründet das damit, dass er kurz dem Trubel entkommen und seine Ruhe haben kann - gern allein. Die einzige Gesellschaft, die ihm dabei stets willkommen ist, sind unsere Katzen. Inzwischen gibt es nur noch Milhouse (die ihren Namen einer lebhaften "Die Simpsons"-Phase meines Bruders und mir zu verdanken hat). Wenn ich an Ostern oder an Weihnachten meine Eltern besuche, dann sehe ich immer noch die gleiche Szene: Mein Vater sitzt auf den inzwischen hochglanzpolierten Gartenmöbeln, stopft seine Pfeife und spricht mit der Katze. Er fragt sie, wie es ihr geht. Ob er eine Antwort bekommt, weiß ich nicht.
Auch wenn ich mich selbst nicht als die größte Katzenfreundin bezeichnen würde, so weiß ich doch sehr zu schätzen, was sie meinem Umfeld geben: Struktur, Gesellschaft, ein offenes Ohr. Nicht zufällig dienen Katzen in einigen psychotherapeutischen Praxen inzwischen als Co-Therapeutinnen. Laut einer Studie des Schlaganfallzentrums der Universität von Minnesota (USA) senkt Katzenschnurren sogar den Blutdruck und damit das Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen. Ich bezweifle, dass man sie dafür zu sehr lieben kann.
Eine erste Version dieses Textes erschien am 13.03.2023.