Gloria Morena*, 34:
Ich war 16 und in der Friseurlehre, als ich meinen späteren Mann kennenlernte. Damals war er lieb und charmant. Er lebte mit seinen Eltern und Schwestern zusammen, sie waren Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo. Mit 18 Jahren wurde ich ungeplant schwanger. Zu Beginn sagte er: Schatz, musst du wirklich zu deiner Freundin gehen? Dann verbot er mir, mich mit Freundinnen zu treffen. Später kamen die Ohrfeigen, dann Faustschläge und Tritte. Mit Wut und Kraft. Wie wenn er einen Mann schlagen würde. Er sagte, ich würde ihn dazu bringen. Er schlug auch seine Schwestern. Und sein Vater schlug seine Mutter.
Ich dachte: Wenn ich alles so mache, wie er will, hört er damit auf, und alles wird besser. Also schaute ich nur noch auf den Boden, wenn wir spazieren gingen, als hätte ich Scheuklappen an. Er behauptete trotzdem, dass ich andere Männer anschaue, also schlug er mich.
In der Schwangerschaft trat er mir auf der Treppe in den Rücken
In der Schwangerschaft trat er mir auf der Treppe in den Rücken, so dass ich die letzten Stufen hinunterfiel. Mein Frauenarzt war fassungslos. "Überlegen Sie sich, ob Sie wirklich bei dem Mann bleiben wollen", sagte er. Aber mein Mann drohte mir immer wieder: Wenn du nur daran denkst, mich zu verlassen, bringe ich dich oder jemanden aus deiner Familie um. Wenige Wochen nach der Geburt eskalierte die Situation. Als er wütendst die Wohnung verließ, hatte ich furchtbar Angst davor, was mir blüht, wenn er zurückkommt. Ich rief die Polizei an. Die fuhr mich direkt ins Frauenhaus.
Endlich in Sicherheit! Ich durfte einfach nur das Mamasein genießen. Ich war so dankbar dafür. Er bekam ein Näherungs- und Kontaktverbot. Und ich hatte eine Auskunftssperre beim Einwohnermeldeamt eintragen lassen. Wir hatten permanent mit dem Gericht zu tun, auch wegen des Umgangsrechts. Aber dann schrieb das Gericht aus Versehen statt meines Postfachs meine Adresse – ich hatte endlich eine eigene Wohnung – auf die Zweitschrift an ihn.
Ich wollte nur noch, dass alles ein Ende hat
Er trat meine Wohnungstür ein, seine Mutter nahm unseren Sohn mit. Die Polizei brachte ihn wieder zurück. Ein paar Tage darauf, ich hatte die Tür noch nicht reparieren lassen können, stand er in der Wohnung, nahm das Kind aus dem Bett und sagte zu mir: Ich könnte dich auf der Stelle umbringen, keiner würde dich je vermissen. Ich hab mich noch nie so alleine und ausgeliefert gefühlt. All die Demütigungen, all die Gewalt – ich konnte nicht mehr. Ich wollte nur noch, dass das alles endlich ein Ende hat. Ich schloss mich im Bad ein und schlug meinen Kopf gegen die Wandfliesen. Als ich im Krankenhaus aufwachte, wurde mir klar: Du musst für dein Kind da sein. Du MUSST!
Es wurde erst ruhiger, als ich über 200 Kilometer weit wegzog. Er sah sein Kind weiterhin, aber seltener. Es war immer schwer für mich, meinen Sohn dort hinzuschicken. Auch weil ich wusste, dass er mitanschauen muss, wie seine Oma geschlagen wird. Ich habe meinem Sohn immer wieder erklärt, dass das alles nichts mit ihm zu tun hat und dass der Papa ihn auf seine eigene Art lieb hat.
Mein Sohn will keinen Kontakt mehr zum Vater
Nach mehreren schwerwiegenden Ereignissen will mein Sohn keinen Kontakt mehr zum Vater. Er ist jetzt 15 und geht aufs Gymnasium. In der Zwischenzeit habe ich meinen Meister gemacht, gerade arbeite ich an meinem ersten Start-up in der Kosmetikbranche. Ich bin dankbar für mein Leben. Wie gut es uns heute geht! Wie ruhig wir leben können! Natürlich habe ich selbst viel dafür getan, aber ich glaube schon auch an Gott.
Ich habe meine Vergangenheit nie an die große Glocke gehängt, warum auch, aber als ich las, dass in Deutschland jedes Jahr fast 150 Frauen von ihrem (Ex-)Partner getötet werden – das hat mich getroffen. Denn mir hätte es auch so gehen können! Aber jeder, der "häusliche Gewalt" hört, tut es ab, vor allem Männer: "Ach, das gab es früher."
Deshalb mache ich jetzt einen Podcast darüber, "mehrWERT Frau". Ich habe so viel Know-how – welche Gesetze man kennen sollte, welche Hilfen es gibt –, das möchte ich mit anderen teilen. Ich interviewte zum Beispiel die Frauenhausleiterin, dann die Polizei. Falls ich damit auch nur einer Frau helfen kann, dann war es all die Mühe wert.
Meinem Sohn war es erst etwas unangenehm, dass ich über unser Privatleben in der Öffentlichkeit spreche, aber inzwischen versteht er, warum ich das tue. Er sagt sogar, er finde es mutig und er bewundere mich dafür.
* So heißt sie im Podcast. Instagram: @gloria_morena
Protokoll: Christine Holch