Ein verrauchtes Büro in der libanesisch-syrischen Grenzstation Aboudieh. Ich versinke in einem schweren Polstersessel, während mein Pass im Nebenraum kontrolliert wird. Mir gegenüber sitzt ein Offizier, ihn kenne ich von früheren Einreisen. Er gehört zur religiösen Minderheit der Drusen, die sich im 11. Jahrhundert vom schiitischen Islam abgespalten hat. Wie die meisten syrischen Drusen lebt er in Suweida – einer von IS-Kämpfern terrorisierten Vulkangegend im Süden. Viele Drusen stehen auf der Seite Assads.
Uwe Gräbe
Der Beamte winkt mich zu sich und rückt einen Sessel an seine Seite. Er lässt mir eine Tasse Tee bringen und zeigt mir Fotos auf seinem Smart phone: Er, ganz privat, in traditioneller Kleidung, zusammen mit würdevollen Drusenscheichs. Die Botschaft ist eindeutig: Lass dich von den Rangabzeichen auf meiner Uniform nicht irritieren. Ich werde dich hier nicht schikanieren. Ich bin eigentlich ein tief religiöser Mensch.
Wir befinden uns schon bald in einem theologischen Gespräch. Zu dem christlichen Glauben an Gott als Vater, Sohn und Heiligen Geist sagt er etwa, das sei ihm nicht fremd. Auch bei den Drusen gebe es eine Art trinitarisches Denken.
Sein Sohn lebe in Deutschland, erzählt er. Ob er ihn einmal besucht habe, frage ich. Der Beamte seufzt. Syrien zu verlassen – und sei es auch nur für einen kurzen Urlaub – sei für einen Mann in seiner Position unmöglich. Ich betrachte ihn genauer. Seine Gestalt strahlt einerseits militärische Straffheit aus, andererseits fallen mir sein trauriger Blick und seine angenehme Stimme auf. Darf man für einen Vertreter von Assads Sicherheitsapparat Sympathie empfinden? In diesem Fall kann ich gar nicht anders.