Louis Braille
Louis Braille
Marco Wagner
Mit den Händen lesen
Als Louis Braille eine Blindenschrift entwickelte, stieß er auf viel Widerstand. Heute ist seine Erfindung weltweit verbreitet
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20.12.2018

Vorgelesen: Die Entscheidung "Mit den Händen lesen"

Als Louis Braille im Jahr 1840 nach einem mehrmonatigen Landaufenthalt an das "Königliche Institut für junge Blinde" nach Paris zurückkehrte, erlebte er ­eine böse Überraschung. Dort, wo er seit zwölf Jahren unterrichtete, war der Direktor des Amtes enthoben ­worden und sein Nachfolger versuchte, Brailles so vielversprechende Erfindung zu verbieten: eine neue, leicht erlernbare Tastschrift für Blinde.

Der neue Institutsdirektor war nicht damit einverstanden, dass die 
blinden Schüler eine Schrift erlernten, die Sehende nicht lesen konnten. ­Dennoch hielt Braille, bestärkt von Freunden und Schülern, an seinem Vorhaben fest, wenn nicht mit offi­zieller Erlaubnis der Schulleitung, dann eben ohne. Brailles Schüler erlernten die Schrift nun heimlich, auch wenn ihnen Strafen drohten, sollten sie dabei erwischt werden.

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Detlef Schneider

Detlef Schneider ist freier Redakteur in der Onlineredaktion von chrismon sowie beim Portal indeon.de. Er hat evangelische Theologie studiert und sein Volontariat im Medienhaus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau absolviert.

Das Leben von Louis Braille, 1809 in Coupvray in der Nähe von Paris geboren, war durch einen Unfall gezeichnet. Im Alter von drei Jahren verletzte er sich mit einer Ahle, die er in der Sattlerwerkstatt seines Vaters gefunden hatte. Zunächst entzün­dete sich das verletzte Auge, dann das andere. Mit fünf Jahren war er erblindet.

Mit dem Schicksal, Bücher nur vorgelesen zu bekommen, wollte Braille sich schon als Kind nicht abfinden. Seine Eltern schickten ihn im Alter von zehn Jahren auf das königliche Pariser Institut, die erste Blindenschule der Welt. Dort verwendete man im Unterricht zu dieser Zeit eine Reliefschrift. Sie zu erlernen war sehr mühsam. Die aus plastischem Material geformten Buchstaben nahmen einerseits viel Platz ein und waren andererseits ­
trotz ihrer Größe für weniger sensible Hände kaum fühlbar.

Einer, der sich mit einer neuen Erfindung an das Pariser Institut wendete, war ein Artilleriehauptmann, Charles Barbier de La Serre. Er hatte eine Nachtschrift für das Militär entwickelt, um mit ihrer Hilfe im Dunkeln Befehle empfangen zu können. Diese wollte er an der Blindenschule etablieren.

Gegen den Artilleriehauptmann kam der junge Louis Braille mit seiner Erfindung nicht an

In langen Nächten vereinfachte Braille Barbiers kompliziertes Zwölf-Punkte-System. Mit 16 Jahren stellte 
er ein System aus sechs Punkten ­fertig, mit denen in zwei Dreierreihen angeordnet 64 Kombinationen möglich waren. Genug Zeichen, um Buchstaben, Zahlen und sogar Musiknoten darzustellen. Obwohl Brailles Schrift Barbiers System weit überlegen war, konnte er sich am Institut nicht durchsetzen. Gegen den Artilleriehauptmann kam der junge Braille nicht an.

Im Jahr 1828 wurde Braille dort Lehrer, wo er Schüler gewesen war, und trat weiter für die von ihm entwickelte Schrift ein. Er arbeitete zudem an einer Notenschrift, zunächst fürs Klavier. Später übertrug er ganze Orgelpartituren in die Punktschrift. Sein gutes Gehör und seine musikalische Begabung ermöglichten ihm eine Ausbildung zum Organisten, die er 1833 abschloss und an der Orgel in Saint Nicolas des Champs ausübte.

Die nächtelange Arbeit schädigte seine Gesundheit. Er erkrankte an ­Tuberkulose, was ihn öfter zwang, ­seine Arbeit am Institut zu unter­brechen und Erholungsaufenthalte auf dem Land zu verbringen.

Heute ist Brailles Schrift weltweit ohne Konkurrenz

Louis Braille war ein bescheidener Mann. "Petits procédés", so beschrieb er sein Werk, "kleine Schritte". Mit seiner Erfindung erreichte er nicht den raschen Durchbruch. Vielleicht auch deshalb, weil er bereits 1852 im Alter von nur 43 Jahren an seiner ­Lungenkrankheit starb. Es dauerte noch etliche Jahre, bis sich auch in anderen Ländern auf Betreiben von Verbänden die Braille-Schrift etablierte.

100 Jahre später wurden seine Gebeine in das Pariser Pantheon überführt und dort beigesetzt – die höchste Auszeichnung, die einem Franzosen zuteilwerden kann. Heute ist seine Schrift weltweit ohne Konkurrenz. Es gibt sie auch in Sprachen, die keine lateinischen Buchstaben verwenden.

Infobox

Jakob Streit und Christiane Lesch haben ein illustriertes Kinderbuch herausgegeben, das sich der Biographie von Louis Braille widmet (erschienen im Verlag freies Geistesleben, 2016).

Das Deutsche Blinden-Museum in Berlin zeigt zudem Leben und Werk von Louis Braille in einer Ausstellung sowie einer Web-Präsentation unter blindenmuseum-berlin.de

 

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