Divine und ihr Bruder Vince laufen gemeinsam durch die Strasse in der Nachbarschaft
Divine und ihr Bruder Vince laufen gemeinsam durch die Straße in der Nachbarschaft.
Insa Hagemann/Stefan Finger
Die Kinder der Sextouristen
Blaue Augen, helle Haare, helle Haut. Wenn ein Kind so aussieht, dann denkt jeder: Die Mutter ist eine Prostituierte, der Vater ein Ausländer. Und meistens stimmt das auch
Foto: Insa Hagemann
Foto: Stefan Finger
Foto: Insa Hagemann
Foto: Stefan Finger
25.06.2015

Am besten gar nicht erst hinsehen. William weiß das, aber es nützt nichts. „Sir, sir!“, ruft der Mann von der anderen Straßen­seite. „Sir, wanna have love, sir?“ William schüttelt den Kopf. „Wanna boom, boom?“, fragt der Mann noch einmal.

William geht diese Straße nicht gern entlang. „Aber irgendwo hier müssen sich meine Mutter und mein Vater kennengelernt haben“, erzählt er. Die Menschen in dieser Straße halten William für einen Sextouristen. Sie erkennen nicht den Filipino, sie sehen seine deutschen Gene. Nur zwei Fotos hat er von seinem Vater. Beide waren längst vergilbt, als er begonnen hat, nach ihm zu suchen. Inzwischen hat er ihn gefunden. Aber der Vater, der in den USA lebt, will nichts von ihm wissen.

###mehr-galerien###Wie William geht es Tausenden Kindern und Heranwachsenden auf den Philippinen. Ihre Haut ist weiß, die Haare mal blond, mal dunkelbraun. Die Augen braun oder blau. Sie sind Kinder von Europäern, Amerikanern oder Australiern. In einem Land, in dem es kaum Zuwanderung gibt, passen sie nicht ins Bild. Sie wirken fremd. Und sie werden alle zusammen in eine Schublade gesteckt – Kinder von Prostituierten. Auch wenn ihre Mütter in Wirklichkeit auf die Liebe eines Ausländers gehofft hatten.

Flüge auf die Philippinen sind billig. Und der Sex ist hier auch günstig zu haben – weil die Menschen arm sind. Angeles City, rund 80 Kilometer nordwestlich von Manila, ist ein einziges Vergnügungsviertel. Auf der Fields Avenue reiht sich eine Bar an die andere, über zwei Kilometer. Allein im „Dollhouse“ arbeiten tausend junge Frauen in drei Schichten, rund um die Uhr. Pros­titution gibt es auch hier offiziell nicht, aber ein staatliches Hygienebüro, wo sich die Frauen wöchentlich untersuchen lassen müssen. Jeden Monat verteilen die Mitarbeiter 38 000 Kondome an die Barfrauen.

Die Autoren

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Insa Hagemann und Stefan Finger, beide 31, haben ­einen Monat auf den Philippinen verbracht. Für ihre Arbeit wurden sie mit dem „UNICEF Foto des Jahres“ ausgezeichnet.

Die beiden werden ihre Ein­drücke auch in einem Buch schildern.

Es ist zu bestellen über ihre Webseite wannahavelove.de

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Der Gewinn aus dem Buchverkauf geht an die Organisation Tatortverein (gegründet von den Schauspielern des Kölner Tatortes Dietmar Bär, Klaus J. Behrends, Joe Bausch und Christian Tasche) und deren Partnerorgansiation PREDA auf den Philippinen.

In einer der Bars steht Linalyn im knappen Höschen. Vorhin hat sie sich von ihrer Tochter Divine verabschiedet. „Mama, bye, bye“, brabbelte die blonde Einjährige auf dem Arm ihrer Großmutter, während sich Linalyn auf den Weg zur Arbeit machte. Sie lebt wieder bei ihren Eltern, zwei karge Räume, die sich sechs Erwachsene und drei Kinder teilen.

Divine ist die Tochter eines Australiers. Verhütet hat Linalyn nicht. Nur die Hälfte aller philippinischen Frauen schützen sich vor ungewollten Schwangerschaften. Bis vor kurzem war Ver­hütung in diesem sehr katholisch geprägten Land sogar verboten, Abtreibungen sind es immer noch.

Mary Ann arbeitet als Tänzerin im „Catwalk“ in Olongapo und verdient umgerechnet drei Euro am Tag. Wenn sie nicht erscheint, muss sie zwei Euro bezahlen – denn die Barbesitzer gehen davon aus, dass die Frauen einen Freier zu Hause haben, wenn sie nicht zur Arbeit kommen. Mary Anns Tochter ist krank, deshalb geht sie heute nicht in die Bar. Auch wenn sie dann Strafe zahlen muss. Mary Grace, die Tochter, ist acht Jahre alt, ihr Vater ist Schweizer. „Wenn er uns ein bisschen Geld geben würde, könnte ich Medikamente kaufen“, sagt Mary Ann. Ihre Tochter hat einen anderen Wunsch: „Dass wir mit meinem Vater zusammenleben. Wie eine Familie.“

FILM-DOKU

Den Film "Mein Papa, der Sextourist", den das Schweizer Fernsehteam mit Mary Grace gedreht hat, gibt es auf der Seite des SRF zum Ansehen.

Mehr als die Hälfte aller ausländischen Männer, die auf die Philippinen reisen, sind Sextouristen, schätzt Shay Cullen. Die wenigsten kümmert es, was sie zurücklassen. Seit Jahren hilft der irische Pater den Müttern, er bekämpft Sextourismus und Kinderprostitution, wurde dafür mit dem Menschenrechtspreis der Stadt Weimar ausgezeichnet und war schon mehrfach für den Friedensnobelpreis nominiert. Prostitution ist auf den Philippinen verboten, sagt er, aber die Behörden tun wenig dagegen. Sogar wenn ein Pädophiler erwischt wird, könne der sich oft mit ein paar Tausend Euro freikaufen.

Besonders schwer haben es die Nachkommen von Afroamerikanern. Die Kinder in der Schule sagen dann „Hurensohn“ oder „Nigger“. Auch William erinnert sich an Schimpfwörter. „Die Schulzeit war schrecklich.“ Noch heute weiß er nicht, ob junge Frauen mit ihm flirten, weil sie ihn mögen oder weil sie denken, dass er Geld hat. Aber was sich William am meisten wünschte, war: seinen Vater kennenzulernen. Wahrscheinlich hat er ihn gefunden, aber Steve, so heißt er, bestreitet, sein Vater zu sein. Steve hat William versprochen, einen DNA-Test zu machen. Das war im Dezember 2012. Dreimal hat William nach dem Test gefragt. Die letzte Nachricht ist nun auch schon zwei Jahre alt. „All good here, hope you’re doing well. Still working on the test.“

Mary Grace

Die achtjährige Mary Grace ist oft sich selbst überlassen
Mary Grace hätte so gern einen Vater. Der ist Schweizer. Ihre Mutter Mary Ann war 18, als sie ihn in einer Bar kennenlernte. Sie arbeitete dort als Tänzerin. Jahrelang hat sie nur für ihn getanzt, wenn er alle acht Monate die Philippinen besuchte, erzählt sie – bis er begann, sie mit ins Hotel zu ­nehmen. Dann wurde Mary Ann schwanger. Zu Beginn unterstützte Freddy D. die Familie noch; er schickte Geld. Dann hörte Mary Ann nichts mehr von ihm, ­bis ein Schweizer Fernsehteam Mary Ann und Mary ­Grace vergangenes Jahr in die Schweiz ein­luden.###info-3###Zusammen mit dem Fernsehteam besuchten sie Freddy D. – doch er schlug ihnen die Tür vor der Nase zu. Am nächsten Tag fand ein kurzes Treffen von Mary Grace und Freddy D. statt.

 

 

 

 

 

 

 

William

Die Menschen gucken ihm nach, wenn William durch die Straßen läuft. In ihren Gesichtern sieht er, dass sie ihn für einen Ausländer halten.Einen Touristen
William studiert in Olongapo Informationstechnik. Später möchte er in die USA oder nach Europa, um seine Familie besser unterstützen zu können. Er ist 19 Jahre alt, sein Vater ist Deutschamerikaner. Seine Mutter ­Marilou hatte ihn in einer Bar kennengelernt. Immer, wenn er auf den Philippinen als US-­Soldat stationiert war, hat er nach ihr gefragt. Bis sie ihm sagte, dass sie schwanger von ihm sei. Steve N. hat ihr das damals nicht geglaubt. „Ich weiß, dass er zu der Zeit mehrere Frauen hatte. Ich hatte aber nur den einen Mann“, sagt Marilou. Bis heute weigert er sich, einen DNA-Test zu machen. William hat einen Bruder, Joseph. Auch dessen Vater ist amerikanischer Soldat.

 

 

 

 

 

Divine

Divine sieht anders aus als der Rest der Familie
Divine hat ihren Vater nie gesehen. Ihre Mutter Linalyn hatte im Internet einen Australier kennengelernt. Drei Wochen war ­David E. auf den Philippinen und hat währenddessen mit Linalyn in einem Hotel gewohnt. „Er war hässlich“, sagt Linalyn über den Vater ihrer Tochter. David E. erfuhr von der Schwangerschaft, glaubt aber nicht, dass er der Vater ist. Einen DNA-Test möchte er nicht machen. Trotzdem sendet Linalyn ihm regelmäßig Fotos von seiner Tochter. „Er soll sehen, wie Divine aufwächst.“ Divine hat einen dreijährigen Bruder namens Vince. Linalyn wohnt mit ihren Kindern, ihrer Schwester, ihrem Bruder und dessen Familie bei Linalyns Eltern. Ihre Mutter passt auf die Kinder auf, während Linalyn und ihre Schwester von sechs Uhr abends bis drei Uhr morgens in einer Bar arbeiten.

 

 

 

Alana

Alanas Vater hat seine Familie ver­lassen. Und die Väter ihrer Schwes­tern haben sich auch davon­gemacht
Alana ist zwölf Jahre, ihr Vater ist Brite. Ihre Mutter Josephine hatte ihn an ihrem 26. Geburtstag kennengelernt. „Er hat uns damals alle Drinks aus­gegeben.“ Als Josephine schwanger wurde, heira­tete Steve sie. Er baute mit ihr ein Haus, war bei der Taufe von Alana dabei. Doch dann schloss die Fabrik, in der er arbeitete, und er ging zurück nach Liverpool. Damals war Alana zwei Jahre alt. Zwei weitere Jahre unterstützte der Vater die Familie finanziell. Danach hörte Josephine nichts mehr von ihm. Wenn Alana heute durch die Straßen von Olongapo geht, wird sie von weißen Männern angelächelt. Jedes Mal fragt sie sich, ob der weiße Mann, der sie so freundlich anlächelt, ihr Vater ist. Alana hat eine siebenjährige und eine zweijährige Schwester. Die philip­pinischen Väter haben die Familie auch verlassen.
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Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Interesse las ich den Artikel zum Sextourismus. Er war sehr informativ und andererseits sehr aufrüttelnd – vielen Dank dafür.

Was mir jedoch aufgestoßen ist war der Satz: dass Abtreibungen immer noch verboten seien auf den Philippinen. Das mag als Information gedacht sein, ist aber in diesem Zusammenhang eher als Lösung für ein Problem sichtbar. Damit habe ich ein großes Problem, denn Abtreibungen sind keinesfalls eine Lösung und Sie als evangelisches Blatt sollten sich nicht nur auf die Seite der schwachen Prostituierten stellen, sondern auf die Seite der schwächsten, der rechtlosen Kinder, die ungeboren bleiben! Sie können nichts dafür und zahlen den Preis mit ihrem Leben!

Auch wenn Abtreibung heutzutage „selbstverständlich“ ist, so bleibt sie nicht gut vor Gott.

Ich würde mir wünschen, dass man trotz der vorherrschenden gesellschaftlichen Meinung in Verantwortung vor Gott seine Meinung sagt und nicht nur mit der Masse mitschwimmt.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Graf (Pastor)

Antwort auf von Leserbrief

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Wieso müsste man als evangelisches "Blatt"oder vor Gott gegen Abtreibung sein. Jede Frau kann selbst vor und mit Gott eine Entscheidung für oder gegen Abreibung treffen. Es mag vielleicht nicht als eine Lösung für ein Problem gesehen werden, aber wer sind wir als Menschen, um das zu beurteilen.

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Ich bin Sextourist. Ich war des öfteren in Angeles City. Hier mal ein paar Worte aus meiner Erfahrung:

Warum gibt es in Angeles City so viele Kinder von "Weißen" ?? Weil man in Angeles Sex ohne Kondom haben kann. Dank der katholischen Kirche. Es gibt kein anderes Land auf der Erde, in dem die katholische Kirche so viel Einfluss hat wie auf den Philippinen. Kondome und Verhütung im Allgemeinen sind dort Tabu.

Es wird auf den Philippinen gevögelt was das Zeug hällt. Ohne Kondom. Dank den päbstlichen Vorschriften.

Ich möche noch mit ein paar anderen Klisches aufräumen:

Sex mit einer Prostituierten ist in Deutschland billiger als auf den Philippinen oder in Thailand. Das ist so. In dem Artikel wird suggeriert, dass Leute wegen Billigsex dahin fliegen. Das ist keineswegs so. Kein Mensch fliegt auf die Philippinen weil es dort billiger ist. Das ist Humbug. Straßenstrich Bangkok: 75 Euro. Deutschland 30 Euro. Gogo Bar auf den Philippinen: 50 Euro. FKK Club in Deutschland 50 Euro. Short Time Bar auf den Philippinen: 40 Euro. Das Gleiche In Deutschland 30 Euro.

Sex ist nichts schlimmes, nichts verwerfliches. Sex ist was schönes. Und Sex gegen Kohle ist auch nichts schlimmes. Manche Frauen können das nicht machen. Sie gehen zugrunde damit. Aber viele Frauan können das machen. Und das ist auch gut so. Eine Frau in Angeles verdient mit einer halben Stunde bum bum soviel wie ein dort ansässiger Arzt in einer Woche.

Der Artikel zielt darauf ab, dass alte, fette, schmierige Männer die armen jungen Mädels ausnutzen. Ich denke es ist genau anders rum. In einem Laufhaus in Deutschland kriegt eine Prostituierte 30 Euro für bum bum und muss 120 Euro pro Tag für die Zimmermiete bezahlen. Sie kommt also erst nach dem vierten bum bum in die Gewinnzone. In Angeles kriegt eine Prostituierte für ein bum bum so viel wie ein Arzt in einer Woche.

Lasst mal bitte die Kirche im Dorf...

Ich gehe auch nicht arbeiten weil es mir Spaß macht. Ich gehe aus wirtschaftlichen Zwängen arbeiten. Sex ist weitaus angenehmer als das was ich mache um meine Brötchen zu verdienen.