Als ich neulich die Talkshow von Günther Jauch anschaute, kam mein Mann ins Zimmer und meinte: „Huch, sind ja fast nur Frauen! Geht’s um Familienpolitik?“ Klar, was sonst. Interessanter aber fand ich, dass die Sitzverteilung von vier zu eins erst dann als asymmetrisch auffällt, wenn die Männer mal nicht in der Überzahl sind. Manchmal muss man die Verhältnisse umdrehen, um zu erkennen, was nicht stimmt.
Insofern: Ich habe mich gefreut, als ich hörte, dass an der Universität Leipzig alle Professoren neuerdings „Professorinnen“ genannt werden - auch die männlichen. Hut ab! Die trauen sich was! Doch dann kam die Richtigstellung der Rektorin: Die weibliche Form wird es nur im Text ihrer universitären Grundordnung geben. Am Sprechen und Schreiben im Unialltag ändert sich nichts. Über die Uni ergoss sich in den Medien trotzdem Häme und Spott („denen ist das Hochwasser zu Kopf gestiegen“). Die Leiterin musste in einem Interview sogar betonen: „Wir waren nüchtern.“
Die aus den 70er Jahren stammende feministische Kritik an einer männlich dominierten Sprache ist alles andere als populär. In Schulen, Universitäten und Parteien setzten sich zwar Lösungen wie das Binnen-I (Innen), Schrägstrich (/-innen), die Nennung beider Formen und Ersatzbegriffe (Lernende) durch. Aber sonst wird dieses Ansinnen oft lächerlich gemacht. Ich habe genug Freunde, die sagen: „Entspann dich mal! Es gibt echt Wichtigeres.“ Immer die weibliche Form zu nennen und Männer mitzumeinen - die Verhältnisse also umzudrehen - hatte ohnehin nie den Hauch einer Chance. Auch in Leipzig nicht.
Eine ideale Sprache, die allen gerecht wird und trotzdem angenehm tönt, wird es nicht geben. Nicht, weil der Widerstand zu groß ist, sondern weil es immer wieder neue Erfahrungen gibt, für die erst Worte gefunden werden müssen. Sprache ist nie fertig. Man kann sie nicht dauerhaft regeln. Es ist aber gut, mit ihr zu experimentieren und zu schauen, welche Wirkung das auf unser Denken und den Umgang miteinander hat. Schade, dass die Universität Leipzig nicht mutiger war. Sie hätte die neue Sprachregelung auf den ganzen Unialltag ausweiten können, zumindest als Experiment, und so auf spielerische Weise Gewohnheiten duchbrochen. „Herr Professorin“ klingt komisch – na und? Kein Grund, sich das nicht mal auf der Zunge zergehen zu lassen.