In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?
Gleich nach dem Aufstehen um fünf oder halb sechs. Ich schlafe nicht gern, das ist langweilig, das ist Zeitverschwendung. Beim Kochen, wenn ich ein Ragout oder ein Gulasch mache, da fühle ich mich richtig lebendig – lebendiger geht es nicht. Natürlich missglückt jeden Tag etwas, auch beim Kochen, aber ich bin erfahren genug, dass mich das nicht plagt. Es ist ein Zeichen erfolgreicher Menschen, dass sie sich nicht grämen. Man darf nicht lange rumfaseln und rumjammern, sondern muss sofort von vorne anfangen. Ich konzentriere mich auf das, was jetzt ist und was vor mir liegt. Was gestern war, kümmert mich nicht.
Was können Erwachsene von Kindern lernen?
Dass man sich nicht so viele Gedanken macht, sondern spontan und frisch reagiert. Diese befreite Art der Kinder versuche ich selber anzuwenden, aber das muss ich üben. Ein Beispiel: Wenn ich auf der Trompete einen hohen Ton treffen will und denke den hoch, erreiche ich ihn ohne Mühe. Wenn ich mit dem Gedanken „Hoffentlich schaffe ich das“ rangehe, klappt es meistens nicht.
An welchen Gott glauben Sie?
Mein Großvater hat Theologie und Philosophie studiert, doch als er schließlich Pfarrer werden sollte, war ihm sein Glauben abhandengekommen. Aus diesem Humus komme ich, bei uns galt die Devise: „Man muss sich selber helfen.“ Ich bin nicht so überheblich zu sagen, dass ich nie gläubig werde – vielleicht lebte ich bisher immer auf der Sonnenseite. Mein Vater wurde 14 Tage vor seinem Tod gläubig. Ich bin es nicht, aber ich liebe die Religionsgeschichte. In jungen Jahren habe ich morgens in der Pädagogischen Hochschule als Gasthörer Religionsgeschichte gehört, und ich war der Fleißigste. Ich finde die Kulturleistungen des Christentums enorm, bei allen Fehlern, die gemacht wurden. Ich bin katholisch erzogen, ich liebe die Kultur des Verzeihens, des Beichtens und des Über-Bord-Werfens. Bei den Protestanten schätze ich den klaren Geist, das Infragestellen. Und die Protestanten neigen nicht so zum Klüngeln wie die Katholiken!
Hat das Leben einen Sinn?
Ich muss ihm selbst einen Sinn geben, indem ich mir täglich ein bisschen Glück verschaffe. Das gelingt sogar einem Tier, das legt sich in die Sonne und nicht in den Schatten. Bei mir sind es meine Bibliothek, die Musik, die Kocherei. Ich habe ständig zu tun. Es gab allerdings Zeiten, da habe ich an vielem gezweifelt. Am schwierigsten war es, als ich 40, 50 Jahre alt war, bei mir dauerte die Midlifekrise 15 Jahre. Gerade an meinem Beruf habe ich sehr gezweifelt. Der 60. Geburtstag war dann ein magisches Datum, da wurde mir klar: „Du bist in der Zielgeraden, jetzt musst du zum Punkt kommen.“ Seitdem wird alles auf den Prüfstand gestellt. Ich habe beispielsweise 15 Jahre lang Querflöte gespielt, richtig Spaß gemacht hat es mir nicht. Also habe ich mit der Trompete angefangen, und nun muss ich einmal in der Woche in die Uni und werde von dem Professor so was von getriezt. Manchmal hyperventiliere ich, weil ich aufgeregt bin wie ein Erstklässler und dastehe wie der Depp. Jazz fällt mir leicht, die Klassik fällt mir schwer. Aber ich weiß: Um gut Jazz spielen zu können, muss ich durch diese klassische Hölle, also übe ich am Tag zwei Stunden.
Muss man den Tod fürchten?
Nein. Er ist mir nicht angenehm, aber er ist mir gegenwärtig – täglich. Der Gedanke an den Tod ist das Geheimnis, dass man einen Tag möglichst glücklich hinter sich bringt. Oft an den eigenen Tod zu denken, entfernt einen auch von den Verführungen des Materialismus. Ich weiß einfach: Egal, wie viele Millionen ich verdiene, ich kann am Tag nur einen Rostbraten essen.
Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?
Keinen, ich lebe lieber jetzt, und das so gut wie möglich. Ich mache eigentlich nur Sachen, die mir Spaß machen; deshalb brauche und mache ich auch keinen Urlaub.
Sind Sie gern allein?
Ja, ich bin mir selber genug. Nicht im Beruf, Gastronomie ist allein nicht zu machen. Da bin ich der Darsteller, der Sternekoch, aber das ist ein Riesenblödsinn, nur alle zusammen – die Köche, die Kellner, meine Frau – erbringen wir eine gute Leistung. Privat habe ich fast keine Zeit für andere Menschen, ausgenommen den engsten Familienkreis. Alles, was ich gern mache, kann ich allein machen. Trompete spielen, lesen, meine Bienen, Gartenarbeit – alles alleine und still. So bleibe ich besser auf dem Boden und bei dem, um was es geht.