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Mit den Worten des alten NDW-Klassikers von Peter Schilling, der jüngst zur Tor-Hymne bei Spielen der deutschen Fußballnationalmannschaft wurde, beschreibt die Weltklasse-Violinistin Arabella Steinbacher Beethovens Violinkonzert in D-Dur: Völlig losgelöst. Genau genommen erlebt sie das klassische Werk, das sie seit ihrem siebzehnten Lebensjahr begleitet, in dieser Beziehung als auf einer ganz ähnlichen Ebene schwingend wie das ganz neu entstandene Werk des zeitgenössischen Komponisten Georges Lentz mit dem Titel "…to beam in distant heavens…".
Sie sagt darüber, dass es "wie Beethovens Werk, einerseits diese plötzlichen Ausbrüche und kraftvollen Momente hat, aber gleichzeitig völlig losgelöst über allem "Irdischen" steht. Ich fühle mich bei diesem Stück als würde ich mich im Universum befinden und aus der endlosen Weite auf die Erde blicken, mit dem Bewusstsein, Teil des Großen und Ganzen zu sein."
Steinbacher, die Violine spielt, seit sie drei Jahre alt ist, verbindet mit diesem "Blick von oben", wie absurd es aus dieser Perspektive erscheint, dass sich Menschen seit jeher von Hass, Gewalt und Respektlosigkeit verleiten lassen. Lentz‘ Violinkonzert spiegelt dies wider: Zerstörung und Verzweiflung auf der einen Seite, demgegenüber aber auch die Möglichkeit, "dann wiederum — komplett losgelöst — im Zustand der absoluten Liebe zu sein."
Vertraut, geheimnisvoll und faszinierend
"Beamo" heißt das aktuelle Album der drei Jazz-Veteranen Leszek Możdżer, Lars Danielsson und Zohar Fresco. Auf dem lösen sie sich sogar von der konventionellen Tonalität, die eine Oktave in 12 gleiche Halbtonschritte aufteilt. Możdżer nennt das "eine schmerzhafte Verpixelung der Musik, reduziert auf zwölf obligatorische Töne". Um dies aber hinter sich zu lassen, musste der Pianist gleich drei unterschiedlich gestimmte Flügel benutzen – die Klaviertastatur entspricht nämlich erst einmal genau dem herkömmlichen System.
Es entsteht schließlich eine klangliche Instabilität, die trotzdem eine eigene Schönheit aufweist. Bassist Danielsson passt teilweise die Bünde seiner Viola da Gamba einfach an die dekaphonische Stimmung eines der Flügel an oder fügt seinen Kontrabass darunter, während Percussionist Fresco ein dynamisch-subtiles rhythmisches Fundament legt. Das Verblüffende dabei ist: Das Ganze klingt überhaupt nicht so dissonant, wie man meinen könnte. Sondern tänzelt ständig zwischen überraschend und vertraut, geheimnisvoll und faszinierend, spannend und einfach schön. Irgendwie überirdisch.
Melodien einsammeln mitten im Alltag
Die aus dem Stuttgarter Raum stammende junge Musikerin, Songwriterin und Sängerin Jiska schließlich erfindet auf ihrem Debütalbum die Schwerelosigkeit neu. Nach zwei vielbeachteten EPs hat die Mittzwanzigerin für ihr erstes Werk in voller Länge ihren federleicht hüpfenden Soulpop noch etwas verfeinert und weiterentwickelt und mit Zirkussounds, Chören oder leicht schlingernden Streichern angereichert.
Geblieben ist natürlich ihre einzigartige Stimme, die sanft und klar anmutet und doch dieses leicht kratzige im Abgang hat, was sie frech und unbekümmert klingen lässt. Vor allem aber hat die ausgebildete Logopädin und Tochter von Berufsmusikern, die in ihrer Kindheit permanent von Musik umgeben war, erneut die schönsten Melodien eingesammelt.
Und zwar offenkundig mitten im Alltag – im Wald, vor dem Sushi-Laden, auf der Couch oder zu Besuch im Altersheim. Selbst die traurigen Geschichten und schlimmen Erfahrungen werden so leichter, losgelöst von ihrer Grundschwere und tragen eine Aussicht auf die Möglichkeit in sich, dass alles gut werden kann. Diese Melodien machen Jiskas Songs zu kleinen, funkelnden Perlen, die das Bittersüße im Leben wie einen bunten Ballon aufsteigen lassen. Himmelfahrt galore!
Arabella Steinbacher: Beethoven und Lentz. Pentatone
Leszek Możdżer, Lars Danielsson, Zohar Fresco: Beamo. ACT
Jiska: Socially Awkward. Vanzandtmusic