- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Nichts ist so notwendig und vergeblich wie Konsumkritik. Als Pastor erlebt man es alle Jahre wieder.
Da möchte man sich selbst und andere auf Weihnachten einstimmen, aber all die lockenden Erlebnis- und Kaufangebote scheinen die Menschen eher in die Zerstreuung als in die Besinnung zu führen.
Dagegen scheint es kein Gegenmittel zu geben. Es ist ähnlich wie beim Fußball in der Bundesliga und dem FC Bayern München: Am Ende gewinnt immer der Konsum.
Deshalb haben die meisten aus meinem Berufsstand den Kampf aufgegeben und wettern nicht mehr wie frühere Kollegen gegen Wintermärkte, übertriebenes Schenken oder den "Konsum-Terror" (was übrigens eine sprachliche Entgleisung ist).
Lesetipp: Sollten wir uns zu Weihnachten etwas schenken?
Aber wie wäre es, wenn man es mit den subversiven Mitteln der bildenden Kunst versuchte?
Das kann man gerade in der Hamburger Innenstadt erfahren.
Dort gibt es in unmittelbarer Nachbarschaft zu sehr exklusiven Luxusgeschäften die traditionsreiche Buchhandlung Felix Jud, die seit einiger Zeit auch Kunstwerke anbietet. In einem Schaufenster hängen dort erstaunliche Textilkunstwerke.
Die Hamburger Bildhauerin Annette Streyl hat mehrere ihrer "BÄGS" ausgestellt. Das sind mit großer Kunstfertigkeit geschaffene Abbilder sogenannter It-Bags, also ikonischer und kostspieliger Handtaschen (für fünfstellige Summen zu haben), und zwar aus Handtüchern.
Das ergibt beim ersten Anblick eine wunderbar komische Verstörung. Man erkennt die höchstpreisigen Markenprodukte wieder, nur dass sie hier nicht aus feinstem Leder, sondern aus einem Material geschaffen sind, das an Gewöhnlichkeit nicht zu übertreffen ist. Dieser Effekt wird durch die Nachbarschaft im Neuen Wall, Hamburgs wohl exklusivster Einkaufsmeile, noch einmal gesteigert.
Aber Streyls "BÄGS" erschöpfen sich nicht in einem kurzlebigen Lacheffekt. Sie besitzen einen eigenen ästhetischen Reiz, man schaut sie sich einfach gern lange an. Sie haben aber auch einen tieferen Ernst. Denn hier treffen sich zwei Weiblichkeitsklischees auf einer höheren Ebene: die auf Luxus fixierte Kauf-Frau und die an Herd und Küche gefesselte Haus-Frau.
Über diesen Widerspruch oder Zusammenklang könnte man länger diskutieren. Vielleicht käme man irgendwann auf die Frage, wie eine Variante für Männer aussehen könnte. Auf jeden Fall aber nimmt man sofort Abstand von den Zumutungen der spätkapitalistischen Konsum-Kultur, ohne dass es dafür einer schlechtgelaunten Mahnpredigt bedurft hätte.



