Buchtipp
Hausgeschichten
Zwei Häuser, zwei Welten: In Paris rekonstruiert Ruth Zylberman das Schicksal deportierter Kinder, in Berlin erzählt Sara Gmuer vom Überlebenskampf im Plattenbau – bewegende Geschichten von Verlust und Zusammenhalt
Gunter Glücklich
12.08.2025
1Min

Rue Saint-Maur 209

Ruth Zylberman: Rue Saint-Maur 209. Schöffling. 469 Seiten, 28 Euro

Auf ARTE war 2018 Ruth Zylber­mans Film "Die Kinder aus der Rue Saint-Maur" zu sehen, der die Grundlage für das Buch "Rue Saint-Maur 209" bildet. Diese "Autobiografie eines Gebäudes" führt in Paris’ zehntes Arrondissement, in ein Haus, aus dem zwischen 1942 und 1944 jüdische ­Kinder deportiert wurden.

Zylberman geht deren Schicksal nach, spricht mit denen, die heute dort ­wohnen, baut die Appartements, wie sie während der deutschen Besatzung aussahen, mit Puppenmöbeln nach, geht in Archive und unternimmt weite Reisen, um Überlebende und Zeitzeugen aufzu­spüren. Zylber­man ist ein Bravourstück gelungen, dank ihrer Em­pathie und Skrupelhaftigkeit, mit der sie eine dunkle Vergangenheit aufleben lässt.

Achtzehnter Stock

Sara Gmuer: Achtzehnter Stock. Hanserblau. 222 Seiten, 21 Euro.

Von einem ganz anderen Haus erzählt die Schweizerin Sara Gmuer. Von einem heruntergekommenen Plattenbau im ­Osten Berlins. Wo inmitten prekärer Existenzen die Schauspielerin Wanda mit ihrer fünfjährigen Tochter lebt.

Mit den anderen Müttern bildet sie eine Art Notgemeinschaft, die durch die Kinder zusammengehalten wird. Verzweifelt versucht Wanda, dem "Hochhausghetto" zu entfliehen und ins Filmgeschäft zurückzukehren.

Gmuer lässt sich einfühlsam und intensiv auf den Alltag ihrer Figuren ein, schildert deren Überlebens­kampf und zeigt gleich­zeitig auf, welchen Halt dieser Verbund den Einzelkämpferinnen gibt. Und am Ende muss Wanda entscheiden, welches Leben sie leben will.

Produktinfo

Ruth Zylberman: Rue Saint-Maur 209. Übers.: Patricia Klobusiczky /Ela zum Winkel. Schöffling. 469 Seiten, 28 Euro.

Produktinfo

Sara Gmuer: Achtzehnter Stock. Hanserblau. 222 Seiten, 21 Euro.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.