Das Wetter könnte kaum besser sein an diesem Sonntagvormittag: blauer Himmel, ein paar Wolken und mit 17 Grad die ideale Temperatur für einen Herren-Kreisliga-Kick. Die beiden Mannschaften, Tasmania Berlin und TSV Mariendorf, sind schon auf dem Platz, um sich warm zu machen. In einer knappen Stunde ist Anpfiff. Carlo Große Extermöring ist ein wenig müde, bis drei Uhr in der Nacht haben er und sein Zwillingsbruder Bela ihren 17. Geburtstag gefeiert. Zu Hause, nichts Wildes, mit einem guten Dutzend Freunden, und auch der Alkoholkonsum hielt sich in Grenzen. Carlo muss fit sein, er weiß, dass es heute auch auf ihn ankommt.
Noch sitzt er in seiner kleinen Umkleide, darin ein Tisch mit zwei Stühlen, ein Waschbecken und ein abgetrenntes WC – nur für ihn. Er kennt die Mannschaften nicht, weiß nicht, was da auf ihn zukommen wird, aber aufgeregt ist er nicht – noch nicht: "Die Aufregung kommt in der Regel eine Viertelstunde vor Spielbeginn", sagt er. Die Kreisliga der Herren kann ein hartes Pflaster sein, vor allem für einen Schiedsrichter. Die Spiele sind oft körperbetont, es wird viel reklamiert und gemeckert. Aber dass es gleich auf dem Platz zu einer Prügelei kommen könnte, ist nicht Carlos größte Befürchtung, das wäre zwar schlimm, sagt er, sei aber rational betrachtet kein Problem.
Seine größte Sorge: dass die Spieler seine Entscheidungen nicht akzeptieren. Er wird der Jüngste auf dem Platz sein, und er wird es dort mit Männern zu tun haben, die wesentlich größer und breiter sind als er. Und er wird allein sein, in der Kreisliga muss der Schiedsrichter ohne Assistenten an den Seitenlinien auskommen. Carlo Große Extermöring soll die Spieler möglichst siezen, anders als in der A-Jugend, die er meistens pfeift. Aus Erfahrung weiß er, dass er das mit dem Siezen manchmal vergisst, vor allem, wenn es hitzig wird.
Noch 15 Minuten bis zum Anpfiff. Carlo wühlt in seiner Sporttasche, er hat Trikots in verschiedenen Farben dabei, grün, rot, lila, gelb, blau, er entscheidet sich für das grüne. Dann steckt er sich die Gelbe und Rote Karte ein, greift die Pfeife und macht sich auf den Weg zum Platz.
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