Es war der Spätsommer vor meinem 20. Geburtstag, und ich hatte mir fest vorgenommen, mich zu verlieben. Ich lud mir die Dating-App Lovoo herunter und wischte durch die Profile. Bis ich auf eine Frau stieß, hängenblieb und sie nicht mehr aus dem Kopf bekam. Nennen wir sie für diesen Text Anna.

In einem gefühlt ewig andauernden Chat – es waren ungefähr drei Monate – unterhielten wir uns über Kneipen, unsere Lieblings-Clubs, über die Angst, nach dem Studium keinen Job zu finden. Und darüber, hier waren wir uns sehr einig, dass »King Of Queens« die beste aller schlechten Sitcoms ist. Kurz: Anna schien mir perfekt zu sein.

Morgens stand ich mit einer Nachricht von ihr auf, abends schlief ich nach einem zweistündigen Chat mit ihr ein. Nahezu jedes Vibrieren meines Handys versetzte mir einen kleinen Schock. Aber von der guten Sorte. Ein Kitzeln, das alles andere unwichtiger machte. Nach zwei Wochen war ich verknallt, obwohl ich nicht wusste, wie sich ihre Stimme anhörte, wie sie sich bewegte oder sich auf die Lippe biss, wenn sie nervös war. Ich malte mir aus, wie wir den Sommer im Schwimmbad verbringen würden, sie meine Freunde kennenlernen würde und ich ihre Familie. Und wie glücklich wir zusammen wären.

In der Realität führte ich eine Beziehung mit einem kleinen weißen Chat-Kasten, den ich über Stunden jeden Tag anstarrte. Wir schrieben öfter über ein Treffen. Doch je intensiver die Gefühle wurden, desto größer wurde die Angst, dass die Realität ihnen nicht standhalten würde. Also sagte ich Treffen ab und vertröstete Anna. Nur um ein bisschen länger in der Hoffnung zu leben, endlich die ideale Person gefunden zu haben.