chrismon: Jeder kommt mal in Stresssituationen. Zu viel zu tun, Sorgen im Hinterkopf, und plötzlich merkt man, wie der Körper streikt: Der Nacken verspannt sich, der Kopf pocht, und man hat dieses flaue Gefühl im Magen. Was passiert da mit uns?
Stephanie Höschel: Unser vegetatives Nervensystem setzt sich aus dem Sympathikus und seinem Gegenspieler dem Parasympathikus zusammen. In einer solchen Stresssituation haben wir eine starke Sympathikus-Aktivierung. Das heißt, unser Körper bereitet sich auf Kampf oder Flucht vor: Das Herz schlägt schneller, wir schwitzen, die Gedanken rasen. Wir wollen irgendwie reagieren. Gerade in Situationen, wo das nicht möglich ist, kann ich Strategien anwenden, den Körper zu beruhigen. Um herunterzufahren und wieder klar denken zu können. Zum Beispiel kann ich starke Reize einsetzen, die dann Anspannung reduzieren und den Parasympathikus aktivieren. Der ist sonst aktiv, wenn wir einen Wellnesstag machen oder in der Sauna sind, also entspannenden Tätigkeiten nachgehen.
Als Psychotherapeutin arbeiten Sie genau mit solchen Reizen in der Dialektisch-Behavioralen Therapie. Worum geht es bei den sogenannten "Skills", die bei Anspannung angewendet werden?
Skills sind Verhaltensweisen, die kurzfristig helfen und langfristig nicht schaden. Die Psychologin Marsha M. Linehan hat die Dialektisch-Behaviorale Therapie, die unter anderem mit Skill arbeitet, in den 1980er Jahren entwickelt. Sie hat mit Frauen gearbeitet, die sich selbst verletzt haben. Es funktionierte nicht, ihnen einfach nur zu sagen: Lass das! Genauso wenig hat reines Verständnis geholfen. Linehan versuchte eine Balance zu finden zwischen Akzeptanz – da ist ein Gefühl – und Veränderungsstrategien: mit Skills gegensteuern, ohne auf Selbstverletzung zurückzugreifen.
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