Es fehlt an Nachwuchs für das Pfarramt. In vielen Landeskirchen werden immer mehr Pfarrstellen frei, weil die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in den Ruhestand treten. Es kommen jedoch nicht genug junge Theologinnen und Theologen nach. Das liegt auch daran, dass der Weg ins Pfarramt lang und schwer ist.
Für das Theologiestudium müssen die drei alten Sprachen Latein, Alt-Griechisch und Hebräisch gelernt und am Ende ein großes Examen abgelegt werden, in dem der gesamte Stoff des 10-semestrigen Studium prüfungsrelevant ist. Traditionell mussten die Studierenden dieses Examen bei der Landeskirche ablegen, in der sie danach als Vikar oder Vikarin anfangen wollten. Die Kirchen haben die Prüfungen der Universitäten nicht anerkannt. Das hat das Studium komplizierter gemacht und war für die Studierenden oftmals mit Angst verbunden. Denn die Studierenden kannten ihre Prüfer und Prüferinnen so oftmals gar nicht und mussten lange Wege für die Prüfungen auf sich nehmen.
Das ändert sich jedoch. Viele Landeskirchen empfehlen mittlerweile, die Prüfung an der Fakultät abzulegen, an der auch das Studium stattfindet. Nicht so in die bayrische Landeskirche (ELKB). Hier wird an alten Strukturen und Gewohnheiten festgehalten, obwohl es auch anders ginge, sagt der Landeskonvent der bayrischen Theologiestudierenden.
Sie schreiben: "Wir wollen Pfarrer*innen in Bayern werden. Aber die bayrische Landeskirche macht es uns immer schwerer, an diesem Wunsch festzuhalten." Sie haben ihre Kritikpunkte in einem offenen Brief zusammengefasst, den chrismon hier veröffentlicht.
Wir wollen an unserem Traum festhalten
Wir sind Studierende der evangelischen Theologie und möchten in Zukunft im Pfarrdienst in Bayern tätig werden. Leider sehen wir derzeit viele Herausforderungen auf unserem Weg dorthin. Unter anderem scheint die Kommunikation zwischen Landeskirche und Studierendenschaft seit einiger Zeit festgefahren zu sein. Gerne wollen wir einen Schritt in eine gemeinsame Zukunft gehen und schreiben daher diesen offenen Brief.
1. Zuerst möchten wir die aktuelle Reform zum ersten kirchlichen Examen nennen. Wegen der Rahmenprüfungsordnung der EKD mussten die einzelnen Landeskirchen in den vergangenen Jahren an einer Veränderung des Examens arbeiten. Einige Landeskirchen haben sich dazu entschieden, dass das Examen nun nicht mehr bei ihnen, sondern an den Universitäten abgelegt werden kann. Die bayrische Landeskirche hat jedoch eine Reform anstatt einer Auslagerung beschlossen. Leider wurde die Studierendenschaft an diesem Reformprozess nur wenig beteiligt, obwohl er uns ja elementar betrifft. Wir hätten uns eine vermehrte Berücksichtigung unserer Vorschläge gewünscht. So stellt vor allem die Tatsache, dass alle im Studium erarbeiteten Noten für das Examen nicht zählen, eine enorme Belastung dar. Am Ende eines Studiums von rund sechs Jahren entscheiden allein die Noten aus einer enorm gedrängten Prüfungsphase über das Bestehen oder Nichtbestehen. Die Abschlussprüfungen in anderen Landeskirchen weisen einen deutlich studierenden-freundlicheren Ablauf auf, da sie über einen längeren Zeitraum gestreckt sind. Um diesen enormen Druck zumindest zu verringern, hätten wir uns beispielsweise eine Einbringung von einzelnen ausgewählten Noten aus dem Studium in die Examensnote gewünscht. Diese Idee wurde jedoch leider nicht umgesetzt.
So bleibt das Examen trotz der Reformen weiterhin im Vergleich zu anderen Landeskirchen deutlich schwerer und unattraktiver.
2. Eine weitere Herausforderung stellt für uns die Erwartung eines explizit bayrischen Examens dar, um mit Sicherheit in das bayrischen Vikariat gehen zu können – so die Auskunft aus dem Prüfungsamt: "Kurzum, wenn Sie das Vikariat innerhalb der ELKB machen wollen, dann führt kein Weg am kirchlichen Examen der ELKB vorbei." Obwohl zahlreiche Anwärter:innen für den bayrischen Pfarrdienst derzeit an außer-bayerischen Universitäten studieren, hält die Landeskirche also an ihrem Examen fest. Für uns ist es nicht nachvollziehbar, weshalb Examina anderer Landeskirchen nicht anerkannt werden. Dies ist in vielen anderen Landeskirchen hingegen bereits gängige Praxis. Eine Öffnung gegenüber nicht-bayrischen Abschlüssen wäre für uns wünschenswert.
Besonders fraglich erscheint diese Haltung in Hinblick auf die geplante Kooperation im Vikariat mit der sächsischen Landeskirche. Die Studierendenschaft hat von diesen Entwicklungen über die Medien und nicht von landeskirchlicher Seite erfahren. Die Information darüber oder vor allem die Einbeziehung Studierender wäre für uns wünschenswert gewesen. Auch in Bezug auf die weitere Planung der Kooperation würden wir uns über Mitsprache freuen. Davon abgesehen wäre für uns eine Öffnung in Bezug auf das sächsische Examen aufgrund der geplanten Kooperation der beiden Landeskirchen nur logisch. Für uns ist es unverständlich, weshalb dieser Schritt nicht erfolgt ist.
3. Nicht nur das bayrische Examen ist wichtig auf dem Weg zum Vikariat, sondern auch das Absolvieren der kirchlichen Studienbegleitung (KSB). Für diese hat man neben dem Studium und den damit verbunden Hausarbeiten in der vorlesungsfreien Zeit zwei einmonatige Praktika, zwei fünftägige Fortbildungen, drei Gespräche (für welche man bevorzugt nach Neuendettelsau reisen sollte) und zwei mehrtägige Seminare abzuleisten. Diese zusätzlichen Verpflichtungen, welche von der Kirche vorgegeben werden, gibt es in diesem Ausmaß in keiner anderen deutschen Landeskirche. Viele Studierende sehen diese Begleitung durch die Landeskirche zwar als große Chance an, gleichzeitig entsteht ein Spannungsfeld: Die Mitarbeitenden der KSB begleiten uns seelsorglich in unseren Anliegen, Wünschen und Herausforderungen im Studium, allerdings bewerten sie uns auch. Um in den bayrischen Pfarrdienst übernommen zu werden, ist eine abschließende Bewertung bezüglich unserer Eignung für den Pfarrdienst durch die KSB unabdingbar. Dieses Spannungsfeld zwischen Bewertung und Begleitung ist für viele Studierende eine unnötige Belastung. Leider schwächt dies das Vertrauen in die Mitarbeitenden der KSB, sowie der Landeskirche im Allgemeinen, obwohl das Programm der KSB grundsätzlich von vielen Studierenden als sehr wertvoll empfunden wird.
Abschließend möchten wir uns für einen engeren Austausch zwischen Landeskirche und Studierendenschaft aussprechen. Wir sind offen für einen runden Tisch mit Mitgliedern des Prüfungsamtes, der KSB, sowie Studierenden und Vikar:innen.
Wir wollen weiterhin an unserem Traum festhalten, in Bayern in den Pfarrdienst zu gehen.
Wer diesen offenen Brief der bayrischen Theologiestudierenden unterschrieben hat, finden Sie hier: Offener Brief: "Nicht nur Ja und Amen"