Das Auguste-Viktoria-Krankenhaus liegt auf dem Ölberg in Ostjerusalem. Die Aussicht ist großartig: Auf der einen Seite schaut man über die Dächer der hügeligen Stadt, auf der andere Seite reicht der Blick über die judäische Wüste bis nach Jordanien. Die Luft ist angenehm kühl und es ist sehr ruhig. Die Zimmer sind hell und freundlich, die Ausstattung modern. "Wir bekommen hier alles, was wir brauchen", sagt Jamal Olwan und fängt an zu schwärmen: Die Behandlung sei optimal, das Personal so freundlich, das Essen gut. Doch genießen können er und sein Bruder Fayek das alles nicht. Die beiden stammen aus einem Dorf im Gazastreifen und sind seit dem 3. Oktober hier oben untergebracht. Fayek Olwan, 65, hat Krebs und eine Chemotherapie und zwei Operationen hinter sich. Er ist erschöpft und kann beim Sprechen nur mühsam den Kopf heben. Sein Bruder Jamal ist als Begleitperson mitgekommen.
Die beiden dachten, sie würden nur ein paar Wochen in Jerusalem bleiben und sind mit leichtem Gepäck angereist. Doch dann hat die Hamas am 7. Oktober 2023 Israel überfallen, und nun sitzen die Brüder schon seit über fünf Monaten hier oben fest. Zur Sorge um die eigene Gesundheit ist die Sorge um die Verwandten und Freunde in Gaza gekommen. Sind noch alle am Leben? Wie geht es ihnen? Ihre Häuser sind zerstört, Hab und Gut verloren. Jamal Olwan beginnt zu weinen und es dauert eine Zeit, bis er wieder sprechen kann. Dann sagt er: "Wenn ich wieder zurück bin, baue ich unser Haus wieder auf." Der schwer kranke Bruder sagt dazu nichts.
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