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ernsehabend in der WG. Gerade starten die Liveshows bei "Deutschland sucht den Superstar". Die zwanzigste und damit letzte Staffel geht ins Finale. Das Ende einer Castingshow, eines Wettbewerbs, in dem Talente an ihrer Gesangskunst gemessen werden, das Ende einer Vergleichsshow.
Als die erste Staffel DSDS erschienen ist, war ich gerade in die Schule gekommen und voll am Start. Der Sieger war mein großer Schwarm, aber mit welchem Lied er gewonnen hat, weiß ich heute nicht mehr. Und wenn man so auf die letzten 20 Staffeln zurückschaut: Große Superstars sind da kaum rausgekommen.
Und doch habe ich es immer wieder angeschaut. Vor dem Fernseher sitzen und mitjudgen kann ich gut. Fällt mir sonst auch häufig leicht: Beim Spieleabend in der WG weise ich andere darauf hin, wenn sie zu schlecht, zu langsam oder strategielos spielen. Natürlich mache ich das viel geschickter. Und selbst im Fußballstadion fällt schon mal der Satz: "Das könnte ja sogar ich besser."
Woher kommt eigentlich dieser Drang, alles ständig zu vergleichen? Da reduziere ich mal eben mein Gegenüber auf einen einzelnen Aspekt, drücke ihm einen Stempel auf, stelle schon mal ein Ranking auf und wünsche mir bei so manchem Auftritt, dass ich einen Buzzer hätte und ihn oder sie rausbuzzern könnte. Als könnte ich meine Wertschätzung für diese Personen an einem kleinen Aspekt festmachen, als könnte ich einen Menschen auf eine eindimensionale Skala packen. "Who am I to judge?", oder wie es im Jakobusbrief formuliert ist: "Wer aber bist du, dass du über den Nächsten urteilst?"
Und doch gehört das Vergleichen irgendwie zu uns dazu. Das ist in einem gesunden Maß auch okay, glaube ich. Skills, Style, Auftreten. Manches find ich gut, orientiere mich daran, da kann ich mir was abschauen, was mich inspiriert. Andere Sachen sind nichts für mich, und im besten Fall hilft mir das, mich abzugrenzen und mir darüber klarzuwerden, was ich Positives daraus mitnehmen kann.
Aber gerade solche Shows, in denen es letztlich ja nicht um Gesangskünste, sondern rein um Unterhaltung geht, lassen immer wieder die Seite in mir durch- kommen, die ich eigentlich zu vermeiden versuche, nämlich die leicht gehässige, die über den Dingen schwebende, die meint, die Maßstäbe zu kennen und alles vermessen zu können. Damit drücke ich den anderen auf, dass es das eine Ideal eines Superstars tatsächlich geben könnte, und verliere allzu oft die Einzigartigkeit dieser Menschen aus dem Blick.
Ja, es ist nur zur Unterhaltung, aber ich glaube, es ist gut, dass dieses Format nun sein Ende hat. Dass die Zeit des Vergleichens, Beurteilens und Rankens von anderen erst mal zumindest aus meiner Medienkonsumwelt verschwindet. Den Abschied zelebrieren wir jetzt aber noch einmal gemeinsam beim DSDS-Schauen in der WG und versuchen dabei noch einmal ganz bewusst, nicht zu bewerten, nicht zu verurteilen, nicht zu buzzern. Vielleicht nehmen wir diese Übung dann ja sogar mit in den Alltag und gehen bei Vergleichen gnädiger mit uns und anderen um. Ein ganz bisschen so wie der eine, der uns von jedem "Schlechter-als" und "Besser-als" schon ein für alle Mal befreit hat: Jesus Christ Superstar.
Vergleichen gehört zu uns dazu – in einem gesunden Maß ist es auch okay. Aber . . .
Alle Kolumnen von Anna-Nicole Heinrich finden Sie unter www.chrismon.de/anna-nicole-heinrich