Susanne Breit-Kessler - Toppings mit Paprika
Susanne Breit-Kessler
Eins obendrauf!
Heute muss alles richtig sein – selbst das, was man auf sein Essen streut


22.03.2023

Topping heißt Belag. Das klingt nicht gut. Ich denke an Plaque auf den Zähnen oder in den Blutgefäßen. Dentist und Kardiologin winken! Aber Topping im Zusammenhang mit Kochkunst ist das, was man früher als Garnitur, als „Verzierung“ bezeichnete. Selbst dieses Wort hat Tücken.

Es steht auch für Unterwäsche, obwohl man die heute als Dessous anpreist. Schon wieder komplex: Dessous trägt man unten drunter und nicht oben drauf.  Fügen wir einfach dem Dressing, der Bekleidung von Speisen mit einer Sauce aus Gewürzen und Kräutern das Topping hinzu.

Als Garnitur war das Topping einst schlicht: Ein Schnitz Zitrone, ein Stängelchen Petersilie, Kapern. An Festtagen gab es Preiselbeeren in der Birne zum Wild oder Röstzwiebeln und Apfelscheiben zur Leber. Manchmal beschrieb die Garnitur das ganze Gericht: Forelle Müllerinnenart, Sauce Bolognese, Pavlova, mit Sahne und Früchten gefüllte Baisertorte, Café de Paris-Butter … Berufsstand, geographische Heimat, eine berühmte Persönlichkeit oder eine spezielle Lokalität sorgen für unverwechselbare Garnituren.

Toppings heute sind natürlich Superfood: Chia-, Hanf- und Leinsamen, Sonnenblumenkerne … Die Komposition schmeckt dann „sweet salty“, weil Rosinen drin sind, oder „orientalisch crispy“ – Curry mit Kürbiskernen, Sesam und Schwarzkümmel. Natürlich kann man auch Chili mit Buchweizen und Apfel vermengen. Alles passt angeblich auf alles: Gemüse, Reis und Kartoffeln, Suppe, Eis, Gebäck. Vermutlich könnte man es auch als Vogelfutter verwenden. Obwohl – die vertragen nichts Scharfes. Also bitte nicht. Für unsereinen ist das Superfood wirklich gesund.

Das meiste davon habe ich sogar daheim in meiner Küche, wenn auch nicht in fertigen Mischungen. Ich mag es nur nicht, wenn mir die Moral aus Zeitungskommentaren, kirchlichen Verlautbarungen und jetzt auch noch aus dem Napf entgegenspringt: Das muss du denken, jenes tun, dieses essen – dann und nur dann bist du der Gutmensch, den wir brauchen. Selbstherrliche Werkgerechtigkeit ist nicht das Meine. Ich halte es getrost mit der göttlichen Rechtfertigung allein aus Gnaden. Die ist fehlerfreundlicher …

Als Nächstes mache ich Zweierlei vom Blumenkohl mit Kartoffeln. Der Blumenkohlsalat bekommt als Topping gedünstete Zwiebel und Schnittlauch samt Essig und Öl-Dressing. Das gegarte Gemüse überbacke ich mit einer Sauce Mornay: Butter und Mehl, Milch, Eigelb, Sahne, Salz, Pfeffer, Muskatnuss frisch gerieben und Parmesan. Benannt ist die Sauce nach Philippe Duplessis-Mornay aus dem 16./17. Jahrhundert. Mornay war reformierter Theologe und Staatsmann. Er hat mit Nachdruck auf das tolerante Zusammenleben von Katholiken und Protestanten hingearbeitet.

Na? Meine vegetarischen Toppings sind in vielfacher Hinsicht ideologisch einwandfrei, kalorienreich und trotzdem gesund. Das toppt doch mal wieder alles.

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Kolumne

Susanne Breit-Keßler

Essen und Trinken hält Leib und ­Seele zusammen. Und darüber Neues zu lesen, macht den Geist fit. Viele Folgen lang hat Susanne Breit-Keßler Ihnen Woche für Woche ihre Gedanken dazu aufgeschrieben und guten Appetit gewünscht. Im Sommer 2024 endete die Kolumne. Die Texte sind weiter im Archiv abrufbar.