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Es wird nicht nur am Wahlkampf liegen, sondern eher an der medialen Fokussierung auf Krawalle aller Art, dass alle Welt meint, unsere Zeit sei durch Spaltung und Polarisierung charakterisiert. Tritt man jedoch einen Schritt zurück, kann man die Sache auch anders sehen.
Zum einen können öffentliche Wutanfälle, so lästig und zerstörerisch sie manchmal sein mögen, auch ein Zeichen dafür sein, dass irgendetwas irgendjemand überhaupt noch angeht – also ein Zeichen von Engagement. Ich kenne dies aus meiner eigenen kleinen Welt: Immer wieder mal erreichen mich kritische oder gar wütende Briefe oder E-Mails (zum Glück bin ich nicht bei Twitter aktiv). Manches daran ist unangemessen, überscharf, querulatorisch. Doch wenn es mir gelingt, gelassen zu bleiben, kann ich darin oft genug einen wichtigen Kern erkennen, ein ehrliches Anliegen, eine berechtigte Kritik. Dann lohnt es sich zu antworten.
Zum anderen wird bei der Polarisierungsthese ausgeblendet, dass das Gegenteil eine viel größere Rolle spielt, nämlich die allgemeine Gleichgültigkeit. Ist das nicht für unsere Gegenwart viel bezeichnender, dass sehr vielen Menschen sehr viel egal zu sein scheint? Epochale Krisen, drängende Zukunftsfragen – doch was das eigene Handeln am Ende bestimmt, sind kleine Eigeninteressen, private Ziele, Routinen des Behagens, das Bedürfnis, dass sich für einen selbst nichts ändert. Müsste man sich da nicht freuen, wenn endlich mal engagiert und interessiert gestritten wird?
Allerdings muss ich zugeben, dass auch mir Dinge egal sind – zum Beispiel: Trielle.
P.S.: Mit der Schriftstellerin Petra Morsbach spreche ich über die Sprache der Macht und des Machtmissbrauchs – und darüber, was man ihr entgegensetzen kann. In meinem neuen Podcast „Draußen mit Claussen“.