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1. Soll man Peter Handke zu dieser Auszeichnung eigentlich gratulieren oder eher kondolieren? Nach einem bizarren Skandal hätte man diesen Preis auch beerdigen können – ja, müssen, hatte er doch schon vorher, in den vergangenen Jahren seine inhaltliche Glaubwürdigkeit verloren. Schon vor dem Skandal war er nur noch eine globale Vermarktungsmaschine, eine glitzernde Ruine. Wenn der Literaturnobelpreis jetzt wiederbelebt wird, fragt sich, ob die Preisträgerin und der Preisträger geehrt oder instrumentalisiert werden.
2. Viele fragen, ob Handke angesichts einiger problematischer politischer Aussagen diesen Preis erhalten dürfe. Diese Frage interessiert mich viel weniger als diese: Warum habe ich die Handke-Lektüre stets als so langweilig empfunden? Langweilig in einem tiefen, grundsätzlichen, unendlichen Sinn. Dass seine Texte hohe Qualität besitzen, war mir nicht entgangen. Aber warum hatte ich immer den Eindruck, dass sie mich nichts angehen? Dazu habe ich diese kleine These: Handke betreibt sein Schreiben als ein kunstreligiöses Projekt. Dabei ist der Akt des Schreibens selbst der religiöse Vollzug und die religiöse Erfüllung, ist Schöpfung und Erlösung zugleich. Im Schreiben erschafft der Autor gottähnlich die Welt, die ihn unbedingt angeht. In diesem Moment ist für ihn alles da. Das ist als heideggerianisierder Mystizismus höchst anspruchsvoll, aber mir zu hoch. Denn die Welt da draußen und den Leser, also zum Beispiel mich, braucht es dann nicht mehr. Dieses Schreiben ist eine Kunstreligion nur für einen einzigen Menschen, den Autor ganz allein. Deshalb geht es mich nichts an. Handke zu lesen, ist in etwa so interessant, wie einem anderen Menschen beim Beten zuzusehen.
3. Ist dies nicht der tiefere Grund für so manche aggressive Äußerung von Peter Handke? Dass er als Künstler zur profanen Wirklichkeit kein rechtes Verhältnis besitzt, weshalb er sich nur polemisch auf sie beziehen kann? Dass die Aggression die Kehrseite seiner heiligen Selbstgenügsamkeit ist? Diese Frage hätte den Vorteil, dass man sein Werk nicht moralisch, sondern ästhetisch und religionskritisch diskutieren könnte. Es ginge dann nicht darum zu prüfen, ob seine öffentlichen Äußerungen irgendeinem politischen Konsens entsprechen, sondern darum, ob man sich mit solch einem religiösen Kunstverständnis sinnvoll auf diese Welt beziehen kann. Oder ob es dafür nicht zu erhaben-einsam ist.
4. Peter Handke ist aber, wenn es um Literatur geht, von größter Menschenfreundlichkeit. Wie kaum ein anderer hat er sich für andere Autoren eingesetzt, sie übersetzt und bekannt gemacht. Ohne ihn hätte ich nie Emanuel Bove oder Walker Percy kennengelernt. Als Literaturvermittler hat mich Handke immer fasziniert. Ob dies einen tieferen Grund hat, dass er als Leser eher in der Lage ist, sich positiv auf andere zu beziehen, denn als Schreiber? Ich jedenfalls finde, dass Peter Handke für seine Verdienste um die Bücher anderer den höchsten aller Preise verdient hätte.
P.S.: Wer etwas wirklich Gutes über Peter Handke lesen möchte, dem empfehle ich "Formen des Kunstreligiösen" von Lore Knapp.