Halle (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wirbt für eine bessere Streitkultur. Als Schirmherr des Projektes "Demokratie ganz nah - 16 Ideen für ein gelebtes Grundgesetz" besuchte Steinmeier gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender am Montag die Stadt Halle und den Stadtteil Neustadt. In der Plattenbausiedlung traf Steinmeier mit Bürgern aus dem Stadtteil zusammen, die ihm aktuelle Erfahrungen und Probleme vor Ort schilderten. Begleitet wurde der Bundespräsident bei seinem Besuch auch vom sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) und dem Oberbürgermeister der Stadt Halle, Bernd Wiegand (parteilos).
Steinmeier sagte in der Diskussionsrunde mit rund 60 Teilnehmern, die politischen Debatten seien härter geworden, der Ton unversöhnlicher. "Mein Eindruck ist es, dass die Fähigkeit zum kultivierten Streit verloren geht." Dies zeige sich nicht nur im Umgang in den Sozialen Medien. Der Respekt vor anderen Meinungen sei ebenso abhandengekommen wie das Zuhören, bevor man spreche. "Wir müssen runter von dem Gefühl, nur meine Meinung ist die Richtige", mahnte das Staatsoberhaupt. Solche Gespräche wünsche er sich.
Verhältnis der Bürger zur Politik
Steinmeier sagte, es sei ihm wichtig, gerade auch Regionen oder Städte zu besuchen, "wo Politik nicht so präsent ist". Es gehe ihm um das Verhältnis der Bürger zur Politik. In der Runde wurden viele Themen angesprochen, es ging um unterschiedliche Renten und Ausbildungsvergütungen, 30 Jahre nach dem Mauerfall, aber auch lokale Probleme wie Pflegeberatungen und Hochwasserschutz und um Integration.
Dabei berichtete eine junge Frau, die im Freiwilligen Sozialen Jahr engagiert ist, auch von rassistischen Kommentaren, mit denen Ausländer, im konkreten Fall somalische Frauen, konfrontiert seien. Steinmeier unterstützte ihre Idee zu einem klärenden Gespräch an einem Tisch. Oberbürgermeister Wiegand verwies darauf, dass die Probleme am Südpark bekannt seien und man dort verstärkt mit Sicherheitskräften unterwegs sei. Mit Blick auf die Vorfälle sagte er: "Dafür muss man sich schämen."
"Säule der Demokratie"
Vor dem Kulturtreff in Halle-Neustadt enthüllte Steinmeier nach der Diskussionsrunde eine "Säule der Demokratie", die von Auszubildenden des Ausbildungszentrums Bau in Holleben gestaltet worden ist. Dabei handelt es sich um eine Beton-Stele, die mit Bezug auf das Grundgesetz die Aufschrift "Die Würde des Menschen ist unantastbar" trägt. Diese und weitere Stelen sollen im Stadtteil aufgestellt werden.
Der Besuch des Bundespräsidenten in Halle gehört zum Begleitprogramm des Jubiläums 70 Jahre Grundgesetz. Dazu haben die 16 Landeszentralen für politische Bildung Projekte vorgeschlagen, mit denen die Aktualität des Grundgesetzes in einer sich verändernden Gesellschaft aufgezeigt werden soll. In Sachsen-Anhalt ist ein Projekt ausgewählt worden, bei dem am Beispiel des Lebensalltages in Halle-Neustadt Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten und Kulturen in den politischen Dialog treten.
Mit dem Bildungsangebot in Halle-Neustadt, das im vergangenen Jahr aufgelegt wurde, sollen die Werte des Grundgesetzes im alltäglichen Leben der Anwohner erfahrbar gemacht werden. Das Projekt wird von der AWO SPI Soziale Stadt und Land Entwicklungsgesellschaft GmbH getragen.