Oldenburg (epd). Der Ex-Krankenpfleger Niels Högel hat zum Auftakt des größten Mordprozesses der deutschen Nachkriegsgeschichte seine Taten weitgehend eingeräumt. Der 41-Jährige ist wegen Mordes an Patienten in 100 Fällen angeklagt, am Dienstag begann in Oldenburg der Prozess. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Sebastian Bührmann, ob die Vorwürfe mehrheitlich zuträfen, antwortete Högel knapp und leise mit "Ja". (AZ: 5Ks 1/18).
Dies sei jedoch juristisch noch nicht als ein Geständnis zu werten, sagte die Sprecherin des Oldenburger Landgerichts, Richterin Melanie Bitter: "Es ist eine Ankündigung eines Geständnisses." Um die konkreten Taten gehe es erst in den weiteren Verhandlungen.
Medikamente führten zum Herzstillstand
Der Prozess in der Oldenburger Weser-Ems-Halle begann unter strengen Sicherheitsvorkehrungen mit einer Schweigeminute für die Opfer und der Verlesung der Anklageschriften. Der Vorsitzende Richter betonte, er wolle insbesondere an die Menschen erinnern, die nicht mehr im Gerichtssaal sein könnten. An dem Prozess vor der 5. Strafkammer des Oldenburger Landgerichts beteiligen sich mehr als 120 Angehörige der Opfer als Nebenkläger - 70 von ihnen erschienen am ersten Verhandlungstag persönlich. Zusätzlich verfolgten rund 50 Medienvertreter im Saal den Prozess.
Oberstaatsanwältin Daniela Schiereck-Bohlmann erhob Anklage gegen Högel, der zwischen 2000 und 2005 hundert Patienten getötet haben soll. Er soll seinen Opfern in Oldenburg und Delmenhorst Medikamente gespritzt haben, die zum Herzstillstand führten. Anschließend habe er versucht, sie zu reanimieren, um als Retter zu glänzen. Wegen sechs weiterer Taten verbüßt er bereits eine lebenslange Haftstrafe. Dabei wurde die besondere Schwere der Tat festgestellt, so dass er nicht nach 15 Jahren entlassen werden kann.
Gute Gefühle bei geglückten Reanimationen
Högel sagte, er habe die Patienten manipuliert, um mit seinen Taten seine Fähigkeiten zu beweisen. Er habe zum "harten Kern" der Kollegen auf der Intensivstation gehören wollen. Geglückte Reanimationen hätten zu guten Gefühlen und Anerkennung geführt. Wann immer er einen Menschen in Todesgefahr gebracht habe, habe er auch reanimieren wollen.
Am 23. September 2002 habe er damit gerechnet, aufgeflogen zu sein, sagte Högel. Klinikdirektor Professor Andreas Weyland habe ihn in sein Büro gerufen und sein Misstrauen ausgesprochen. Ob Weyland damals tatsächlich schon einen Verdacht hatte, wird sich erst nach dessen Aussage im weiteren Verlauf des Prozesses zeigen. Er habe ihn vor die Wahl gestellt, entweder vom nächsten Tag an als Hausmeister zu arbeiten oder das Klinikum zu verlassen, berichtete Högel. Weyland habe ihm ein gutes Zeugnis und eine Freistellung von drei Monaten bei vollen Bezügen angeboten. Er habe das Angebot angenommen und sich kurz darauf im Klinikum Delmenhorst beworben, das ihn zügig eingestellt habe.
Bislang sind insgesamt 23 Prozesstage bis Mitte Mai 2019 anberaumt. An dem Verfahren nehmen auch der Psychiater Konstantin Karyofilis und der emeritierte Professor Max Steller für Aussagepsychologie als Experten teil. Sie sollen nach dem Wunsch des Vorsitzenden Richters als Sachverständige die Schuldfähigkeit des Angeklagten und die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen beurteilen.