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Konservative Revolution? Bitte nicht!
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
06.01.2018

Es war ein eher unangenehmes Fernseh-Erlebnis: Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt hatte in der „Welt“ ein kulturpolitisches Plädoyer für eine „christliche Leitkultur“ sowie eine „konservative Revolution“ veröffentlicht und wurde nun im „Heute Journal“ des ZDF von Marietta Slomka interviewt – nein, man muss sagen: Er wurde gegrillt. Das hat viele gefreut, wie allerlei digitales Gefeixe zeigte. Ich habe eher Mitleid empfunden.

Nun kann ich als Hamburger von Natur aus kein CSU-Anhänger sein. Aber ein unverklemmtes Eintreten eines Politikers für eine christlich geprägte Kultur halte ich nicht für verboten. In Berlin begegnet mir so oft eine peinliche Kirchenallergie und ein laizistischer Waschzwang („Christentum – igitt!“), dass ich solch eine Äußerung fast erfrischend fand. Doch begeht Herr Dobrindt einen Fehler – so schwer, dass es mich wundert, warum Frau Slomka ihn nicht aufgespießt hat.

Was heißt "konservative Revolution"?

Herr Dobrindt nämlich schließt die „christliche Leitkultur“ mit der „konservativen Revolution“ kurz. Wer sich mit der deutschen Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts beschäftigt hat, kennt „konservative Revolution“ als Name einer ideologischen Tradition, die das gute Erbe des Konservatismus an den Nationalsozialismus verraten und verkauft hat.

Als „konservative Revolutionäre“ bezeichnet man antimoderne Intellektuelle, die sich entschieden gegen Aufklärung und Demokratie ausgesprochen haben. Darunter waren einige faszinierende Schriftsteller: Stefan George, der junge Thomas Mann oder Ernst Jünger. Wirksam wurde diese lose Gruppe jedoch durch minderbegabte, aber hochtoxische Publizisten, die entweder vor 1933 der NS-Diktatur zugearbeitet oder sie nach 1945 verklärt und zurückgeträumt haben. Ihre Demokratiefeindlichkeit verband sich übrigens nicht selten mit Hass auf die Kirche und Verachtung des Christentums.

Vielleicht hat Herr Dobrindt das nicht gewusst. Vielleicht hat ein Mitarbeiter ihm dieses Stichwort hineingeschrieben, weil es irgendwie scharf klingt. Als Bundesminister und Vertreter einer regionalen Volkspartei jedoch hätte Herr Dobrindt seinen Text kritisch auf Fehler gegenlesen lassen müssen.

In Deutschland und in der evangelische Kirchen können wir einen bewussten, gebildeten, aufgeklärten, demokratischen Konservatismus gut gebrauchen – eine konservative Revolution aber nicht.

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur