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Bei einem Damenfrühstück raunt mir eine über 60-jährige Frau zu: "Lassen Sie was machen?" Wie was machen? Es dauert, bis ich begreife: Die Dame will von mir wissen, ob ich mit schönheitschirurgischen Eingriffen liebäugle. Sie sagt: "Jeder lässt doch heute was machen. Meinen Sie nicht, man sollte sich auch ein bisschen herrichten lassen, damit man mithalten kann?" Immer öfter begegne ich solchen Überlegungen. Eine Frau ist gertenschlank und bildhübsch, aber da, über der Oberlippe, kann man diese elenden Knitterfältchen nicht wegkriegen? Kosmetikerinnen schauen einem besorgt ins Gesicht und entdecken Schlupflider, gegen die man mehr unternehmen soll, als sie nur einzucremen und in den Farben der Saison zu schminken.
Die Zahl der Schönheitsoperationen in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn Jahren verachtfacht. Inzwischen legen sich jährlich 800 000 Deutsche unters Messer, vor allem Frauen, aber auch Männer Tendenz steigend. Gefragt sind vor allem Veränderungen von Brust, Nase, Ohren und Lidern, Hautstraffungen sowie Fettabsaugungen. Zehn Prozent der Operierten sind unter 20 Jahre alt. Manches Mädchen wünscht sich heute zum Abitur eine Brustkorrektur. Mann und Frau wollen so aussehen, wie man auszusehen hat, nämlich jung, schön, faltenlos gleichgeschaltet von der mimikfreien Zone auf der Stirn bis zum Waschbrettbauch.
Aber Vorsicht vor voreiliger Kritik: Sich selbst oder einen anderen zu verschönern, gehört zur kreativen Begabung eines Menschen. Und das Christentum, zu manchen Zeiten recht leibfeindlich, ist eigentlich ein Glaube, der dazu auffordert, sich die Welt anzueignen und mit ihr in schöpferischer Freiheit intelligent umzugehen. Es gehört zur Natur von Christenmenschen, das, was ist, zu überschreiten auf ein Besseres hin. Wer Sport treibt, Wellness liebt, sich schön anzieht und pflegt, tut ja auch etwas dafür, um besser auszusehen Ausdruck der Dankbarkeit für den eigenen Körper, der einem geschenkt wurde. Warum also nicht eingreifen, wenn es etwas zu vervollkommnen gibt?
Jeder wird verstehen, wenn jemand Eingriffe ausdrücklich wünscht, weil er oder sie etwas an sich selbst als Entstellung empfindet. Man denke nur an Verletzungen und Vernarbungen der Haut durch Verbrennung oder chemische Stoffe, an Tumore oder Kiefer- und Gaumenspalten. Oder an den Verlust der Brust wegen einer Krebserkrankung. Ärzte vollbringen mit plastischer Chirurgie Meisterliches zum Wohl von Menschen, die ansonsten ein Leben lang leiden würden unter den Blicken anderer. Jesus heilt ganz selbstverständlich von körperlichen Makeln und Gebrechen. Alle Wundergeschichten der Bibel malen Bilder vom unversehrten Leben: Die verkrümmte Frau (Lukas 13,10 ff.) wird zu einer, die aufgerichtet und sich ihrer Würde neu bewusst wird.
Schwieriger ist es, wenn jemand etwas subjektiv als Schönheitsfehler empfindet, obwohl Familie und Freunde das anders sehen. Das können abstehende Ohren, lange Nasen oder ähnlich liebenswerte Eigenheiten sein. Kein anderer stört sich daran, nur der Betreffende plagt sich damit herum. In solchen Fällen braucht es einfühlsame Berater, die überlegen, ob eine Operation wirklich notwendig ist. Ob anliegende Ohren und ein Hollywoodnäschen das Lebensgefühl entscheidend verbessern. Wird man fideler, wenn die Altersflecken auf der Hand verschwunden sind? Hat das Leben mehr Sinn, weil die Reiterhosen entfernt wurden? Wird man hinterher glücklicher, erfolgreicher und beliebter sein?
Oscar Wilde zeigt in seinem Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" einen Mann, der nicht altern will und dafür seine Seele verkauft. Verantwortungsbewusste Schönheitschirurgen wissen um die Sorge, nicht attraktiv genug zu sein. Sie kennen die Angst vor dem Alter, die Frauen und Männer in die Praxen treibt beeinflusst von Bildern aus den Medien, die einem zeigen, wie man zu sein hat. Wer spürt, dass ein Mensch, nur getrieben von Seifenopern oder spektakulären Operationen im Fernsehen, sich optisch verändern will, der wird ihm oder ihr hoffentlich abraten von Eingriffen. Durch die hohe Kunst der Chirurgie allein wird niemand glücklicher. Dolly Parton, die vollbusige Western-Blondine, hat einmal ironisch gesagt: "Ich habe ein Vermögen dafür ausgegeben, um so billig auszusehen, wie ich es heute tue."
Kreativ tätig zu sein, das schließt die Fähigkeit mit ein, sich selbstkritisch Grenzen zu setzen. Welche das in der Schönheitschirurgie sind, das muss jeder und jede für sich selbst herausfinden. Vielleicht hilft einem die Einsicht, dass kein Mensch makellos durchs Leben geht. Jeder trägt früher oder später Falten, Narben, Wunden auf Körper und Seele und gehört gerade so zu Gottes wunderbaren Töchtern und Söhnen. Man sollte gnädig mit sich und anderen umgehen auch in der Frage "Bin ich schön?". Richtig ist auf jeden Fall, die Lust an kleinen oder großen Eigenheiten zu pflegen und sich dadurch selbst zu akzeptieren, wie man ist.
Es ist ein herrliches Gefühl der Freiheit, wenn man sich freundlich im Spiegel betrachtet. Und auch mit Falten und Waschbärbauch fröhlich ist.
Im Vertrauen
Jeden Monat laden wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, ein, uns Ihre Erfahrungen zu einem vorgegebenen Thema mitzuteilen. Schildern Sie Erlebnisse und Begegnungen, lassen Sie uns an Ihren Beobachtungen teilhaben!
Das Thema im Mai: Soll ich was sagen? Und wie? Im Zugabteil telefoniert jemand lautstark mit dem Handy; im Supermarkt drängelt sich ein Kunde in der Warteschlange vor; jemand riecht streng; die laute Musik, die der Nachbar in der S-Bahn hört, stört die anderen Fahrgäste. Das ist unhöflich aber soll man sich deswegen gleich beschweren?
Schreiben Sie uns Ihre Meinung, Ihre Erfahrung! Bitte mit Angabe Ihres Alters und Wohnorts, bis zum 31. März.
chrismon
Stichwort: Im Vertrauen Postfach 500550, 60394 Frankfurt am Main E-Mail: im-vertrauen@chrismon.de
Das meinen Leserinnen und Leser
Ich hätte es in jungen Jahren auch getan, wenn mich, gerechtfertigt oder nicht, etwas an mir gestört hätte. Heute ignoriere ich meine Falten. Es ist auch nicht nötig, eine Schönheitsoperation hinter vorgehaltener Hand oder errötend zuzugeben. Es gibt schlimmere Dinge, als sich verschönern zu lassen.
Evi Lüders, 66 Jahre, Neuried
Man kann nicht alles ändern, was einen an sich stört. Klar, wer schlecht aussieht, hat oft schlechtere Chancen, wenn er das nicht durch Intelligenz ausgleichen kann. Doch letztlich kapituliert man mit einer Schönheitsoperation vor der Gesellschaft, die eine Person nur nach dem Aussehen abschätzt.
Stefanie jähnig,
17 Jahre, Wabern
Gott hat mich erschaffen, also hat er sich was dabei gedacht. Durch meinen Körper zeigt er mir die Folgen meines Verhaltens. Also habe ich die Verantwortung für meine körperliche Verfassung. Ich habe nicht das Recht, an meinem Körper massive Veränderungen vorzunehmen, schon gar nicht durch ein Skalpell! Gott hat ja einen Plan mit mir, so, wie ich bin. Wahre Schönheit muss von innen kommen.
Sharida Careen Verena
Barczewski-Becker,
56 Jahre, Worms
Wenn man alles so lässt, wie es ist, zeigt man Wahrheit, mit der man auf lange Zeit am leichtesten leben kann.
Almut Kühn,
62 Jahre, Waldems
Als Mann habe ich gut reden, aber ich weiß, wie sehr manche Frauen unter einem vermeintlich zu kleinen Busen leiden. Trotzdem halte ich jede Schönheitsoperation für Selbstverstümmelung. Eine Operation stellt ein Risiko dar und der Ausgang ist ungewiss. Warum sollen denn alle Menschen gleich aussehen?
Horst Schüler,
71 Jahre, München
Seit meiner Jugend habe ich wahnsinnig unter meiner vermehrten Körperbehaarung gelitten. Eine Freundin machte mich auf die dauerhafte Haarentfernung durch Lasertherapie aufmerksam. Diese Behandlung ist nun nahezu abgeschlossen, und ich kann sagen, dass ich dadurch ein glücklicher Mensch geworden bin, und bedaure, keine 20 mehr zu sein.
Rosemarie Till,
49 Jahre, Eppelheim
Nie habe ich was machen lassen, außer Nivea fürs Gesicht, Schönheitsoperationen lehne ich ab. Mein Gesicht spiegelt aber mein Leben: Krieg, Flucht, Vertreibung aus Schlesien, Armut, Hunger der Nachkriegsjahre. Niemand erschrickt, wenn er mich sieht, mit jedem kann ich mich noch ganz normal unterhalten. Trotz Parkinson dafür bin ich sehr, sehr dankbar.
Margarete Früling,
84 Jahre, Berlin
Angst und Zweifel sind damit verbunden, bis man den Mut hat, sich ohne ernsthafte Erkrankung unters Messer zu legen. Ich hatte Glück: 1992 Facelifting. 2001 Oberarmlifting. 2002 Reiterhosen/Bauch (Fettabsaugung). 2005 unteres Facelifting und Hals. 2006 Augenlid oben. Nun ist es genug. Wer es nicht weiß, ist erstaunt, wie ich mich gehalten habe.
Karin Gliffe,
66 Jahre, Berlin