Joachim Król
Joachim Król, 2017
Dirk von Nayhauß
"Religion? Das ist abendfüllend!"
Geboren werden, leben, sterben. Das Leben ist wie eine Kette, meint der Schauspieler Joachim Król. Immer weiter, immer weiter
Dirk von Nayhauß
16.10.2017

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Eigentlich fühle ich mich immer lebendig, auf Reisen besonders, da nehme ich mich noch lebendiger wahr. Weil ich ein Augenmensch bin. Weil ich es genieße, wenn viele ­unterschiedliche Eindrücke auf mich einströmen. Man sieht vielleicht jemanden und denkt: Was für ein lebendiger Mensch! Der ist heiter, zugewandt, liebt das, was er macht, ist kommunikativ, sozial kompetent. Und dann sieht man jemand anderen, der sitzt alleine auf der Parkbank, der sagt nichts, der tut nichts. Armer Kerl, denkt man dann vielleicht. Aber das muss doch gar nicht so sein. Vielleicht empfindet der sich gerade selbst als ziemlich lebendig.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Ich finde, dass Religion und Religiosität Privatsache sind. Und wenn man drüber sprechen wollte, dann ist das eine abendfüllende Sache, man könnte eine Flasche Wein aufmachen und reden. Die Frage ist so groß. Nein, eine Vorstellung verbiete ich mir. Lasst uns Gott in der Natur wahrnehmen, das ist schon mal ein guter Ansatz. Lasst uns unsere Zeit bewusst wahrnehmen und so gut wie möglich gestalten – die Regeln dafür haben wir ja, die gibt es in jeder Religion. Und lasst uns gelöst auf das Ende zugehen und ein Leben nach dem Tod als Option ansehen.

Dirk von Nayhauß

Joachim Król

Joachim Król, geborenv1957, besuchte die Otto-Falckenberg-Schule in München. In den 90er Jahren wurde er bekannt mit den Kinokomödien "Wir können auch anders" und "Der bewegte Mann". Fürs Fern­sehen spielte er unter anderem die Kommissare Brunetti (Donna Leon), Frank Steier (Tatort) und "Lutter" (ZDF). Joachim Król ist verheiratet, lebt in Köln und hat einen Sohn.

 
Muss man den Tod fürchten?

Der Tod ist unvermeidbar, genauso wie älter werden. Älter werden ist wie atmen, es passiert einfach, und wenn es nicht mehr passiert, wird man auch nicht mehr älter. Eigentlich ist der Tod doch spannend, nach dem letzten Moment ist man der Klügste von allen. Drumherum starren alle auf das Sterbebett und fragen sich: "Was passiert jetzt?" Niemand weiß es, nur du selbst. Das ist doch ein faszinierender Gedanke. Und man verschwindet erst, wenn niemand mehr an einen denkt. Das ist alles, was wir wissen, betrachten wir doch alles andere als potenzielles Bonusmaterial.

Hat das Leben einen Sinn?

Wenn ich meinem Sohn begegne, der sich vor einigen Jahren auf den Weg gemacht hat, und wenn ich sehe, wie der sich ärgert und freut und macht und tut und mir seine Freundin vorstellt – dann habe ich das Gefühl, dass das ­alles einen Sinn hat. Geboren werden, lernen, leben, lehren, sterben – so war es doch früher, bevor alles so schrecklich kompliziert wurde. Man hat was gelernt, hat davon gelebt, hat Kinder bekommen, wurde alt, war zuständig, das Handwerk oder was auch immer weiterzu­geben – und dann war Feierabend. Das ist der Sinn, das ist eine Kette: immer weiter, immer weiter.

"Ich hatte richtig Angst davor, 60 zu werden"

Welchen Traum möchten Sie sich unbedingt erfüllen?

Ich bin kürzlich 60 geworden und hatte richtig Angst davor. Die Phase auf den Geburtstag zu, die war ausgefüllt mit den Fragen: Was habe ich erreicht? Wie stehe ich heute da? War das schon alles? Was kommt noch? Was brauche ich noch? Sehr geholfen hat mir eine gute Freundin, die sagte: "Stell mal den jungen Kerl da hin, der vor über vierzig Jahren sein Elternhaus verlassen hat. Stell dich daneben, so wie du heute bist. Und dann frag den jungen Joachim, den Bergarbeitersohn aus Herne: Wenn du das erreichen würdest, was der alte Joachim erreicht hat, der so viele Menschen kennengelernt hat, auf vielen Bühnen gestanden und Filme gemacht hat, der in unterschiedlichsten Ländern war – wäre der junge Joachim zufrieden?" Und der junge würde sicher sagen: Doch – das könnte mir gefallen!

Sie spielen in "Zwischen Himmel und Hölle" Luthers ­Gegenspieler, Erzbischof Albrecht von Brandenburg. Ist es schwer, böse zu sein?

Er war ein unfassbar einflussreicher und mächtiger Mann. Wenn so ein Niveau an Macht erreicht wird, besteht die Gefahr, skrupellos zu werden. Aber ich muss als Schauspieler ja nicht selber skrupellos und böse sein, um eine glaubwürdige Darstellung eines "Bösewichts" zu ­liefern. Da hilft die Vorlage, die Abstimmung mit der Regie und die Lust an der Verstellung. Das ist schau­spielerische Technik und Psychologie. So ist unser Beruf: Morgens spazierst du mit deinem Alltagsoutfit in die ­Garderobe und kommst danach als böser Erzbischof ­wieder raus.

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