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Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.
Gelegentlich kommen der Sprache wunderschöne Worte einfach abhanden. Sie verschwinden, weil sie gar zu altertümlich klingen. „Innigkeit“ ist so ein Wort, das nur noch die Menschen kennen, die gern eine bestimmte Art von Literatur lesen.
Manche Worte verschwinden aber auch, weil mit ihnen Schindluder getrieben wurde oder sie schrecklich banalisiert worden sind. „Sünde“ ist so ein Wort, das gleichzeitig banalisiert und missbraucht wurde. So schlimm, dass manche Christen fast aggressiv darauf reagieren. Das kleine Himbeertörtchen, das ich ohnehin niemals hätte vom Buffet greifen sollen, fällt zu Boden: „Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort“, sagt einer, der danebensteht, zu mir.
Und selbstverständlich ist es ein großer Unterschied, ob man einen ziemlich mächtigen, aber etwas eingebildeten Großordinarius an einer Universität auf die Sünde des Hochmuts anspricht oder eine junge Nachwuchswissenschaftlerin, die ihre liebe Not hat, sich in einer Männerdomäne durchzusetzen und dafür natürlich ein gerüttelt Maß Selbstvertrauen braucht.
Ohne Sünde wird Rechtfertigung unverständlich
Manche Worte können ohne Schaden für die Sprache verschwinden und werden nur noch von Liebhabern verwendet, die dafür auch gern belächelt werden. Andere Worte dürfen nicht verschwinden, weil sich dann die Wirklichkeit nicht mehr adäquat beschreiben lässt. Man muss sich in einem solchen Fall bemühen, solche Worte wieder plausibel zu machen. Das geschieht, indem auf die Wirklichkeit verwiesen wird, die das Wort einst bezeichnet hat und die auch diejenigen nach wie vor erleben, die das Wort gar nicht mehr oder falsch gebrauchen.
Ein solches Wort, das ungeachtet allen Missbrauchs nicht verschwinden darf, ist das Wort „Sünde“. Ohne dieses Wort wäre auch gar nicht mehr verständlich, was Rechtfertigung bedeutet – was im Jubiläumsjahr der Reformation eine ziemlich betrübliche Entwicklung wäre. Natürlich haben es die, die ein banalisiertes und zugleich missbrauchtes Wort in den Mund nehmen, nicht gerade einfach. Aber warum sollte es Christen besser gehen als denen, die in der Politik in schwierigen Zeiten für Solidarität mit Flüchtlingen werben?
Der Alltag als Geschenk
Paulus erklärt im Römerbrief die Notwendigkeit einer Rechtfertigung durch Gott mit dem schlichten Satz: „Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen.“
Ich kenne viele, auch sehr kluge und sensible Menschen, die schon da widersprechen. Wieso soll jemand, der sich bemüht, ein gutes Leben zu führen, nicht nur den eigenen Interessen zu folgen, ein Sünder sein? Es kommt an dieser Stelle alles darauf an, sich klarzumachen, was „Sünder“ hier bedeutet. Gemeint ist, dass ich jedenfalls in meinem Alltag immer wieder vollkommen vergesse, wieweit dieser Alltag schlicht ein Geschenk Gottes ist.
Leidenschaftliche Suche
Ich lebe viele Momente meines Lebens leider so, als ob ich allein meines Glückes Schmied wäre und die Qualität meines Lebens mir selbst verdankte. Gern klage ich über mangelnde Dankbarkeit, seltener erkenne ich, dass auch ich wenig dankbar bin. Sünde heißt nicht: gegenüber einem Menschen schuldig geworden sein. Sondern: leben, als gäbe es Gott nicht, obwohl ich es besser weiß und auch gern anders rede. Würde ich so gegenüber anderen Menschen handeln, es also ständig an Dank und Anerkennung fehlen lassen, wäre die Gemeinschaft mit ihnen schnell beendet.
Rechtfertigung bedeutet, dass Gott sich nicht beleidigt zurückzieht, sondern leidenschaftlich nach Gemeinschaft sucht und sich durch menschliche Undankbarkeit nicht davon abhalten lässt. Wir haben ein ganzes Jahr des Reformationsjubiläums Zeit, diesen Zusammenhang so zur Sprache zu bringen, dass möglichst viele erkennen, dass da ihre eigenen Erfahrungen zur Sprache gebracht werden.