Foto: Duftomat/photocase.de
Kita? Tagesmutter? Zu Hause bleiben?
Jeden Morgen Tränen und Gebrüll - so beschrieb es ein junger Vater in chrismon und erntete Lob, aber auch sehr viel Kritik. Dass er nicht allein mit seinen Problemen ist, zeigt diese Spontanumfrage im Verlagshaus von chrismon. Sie ergibt ein buntes Bild.
Tillmann Elliesen Privat
Tim Wegner
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16.08.2016

Das Dilemma berufstätiger Eltern ansprechen!

Ich komme bei diesem Thema häufiger ins Schleudern, ganz ehrlich. Und das, obwohl ich zwei kleine Kinder habe und eine Dreiviertelstelle. Zum Beispiel wieder einmal vor ein paar Tagen, als ich den Blog einer Fotografin las, die ebenso alte Kinder hat wie ich: Sie hat sie rausgenommen aus der Kita, weniger Erziehung, mehr Beziehung ist ihr Credo. Und dass es doch eine unwiederbringliche und erfüllende Zeit sei, nur für die Kinder da zu sein. Diese Zeit vergehe so schnell und so weiter. O je. Da war mal wieder was los in meinem Mutterkopf. In solchen Momenten fühle ich mich ertappt und schlecht. Weil ich anders ticke, meinen Job mag, meine Freiheiten, mein Leben neben den Kindern. Es gleichzeitig aber auch liebe, mit ihnen zusammen zu sein. Überhaupt sind sie das Größte. Über dieses Dilemma von Eltern möchte ich eigentlich mehr hören – und weniger von Dogmatikern, die nur eine Wahrheit für sich und andere parat haben.
Dorothee Hörstgen, chrismon-Fotoredakteurin, 43 Jahre alt, zwei Kinder:


Schwere psychische Störung? So ein Quatsch!

„Die Journalistin lebt mit ihren zwei Kindern in Köln.“ Allein dieser Satz, der unter meiner Kolumne in der „Brigitte“ stand, reichte seinerzeit für wüste Beschimpfungen. Wir reden nicht etwa vom Mittelalter, wir reden vom Jahr 2002. Ich hatte kleine Kinder in der Krippe und im Kindergarten und habe gearbeitet. Ich schrieb über Kinderbetreuung und über Gentechnik, Justizreform, den Bundesradwegeplan und alternative Krebstherapien. Ich versuchte einfach, eine gute Journalistin zu sein. Wenn ich heute die Leserbriefe und E-Mails durchgehe, kann ich darüber lachen. „Ursula Ott hat wohl keinen Mann und wird auch so schnell keinen finden“, lautete noch eine der harmlosesten Fantasien. Ich lebte schon damals in gelingender Patchworkfamilie, mein Lebensgefährte fand so was zum Glück lustig. Schlimmer trafen mich die Mails, die den armen Kindern der „berufstätigen Frau Ott“ eine schwere psychische Störung prophezeiten und eine Zukunft auf der Therapiecouch. Das konnte ich damals ja selber, bei allem Optimismus, nicht widerlegen.

###drp|6ym3B_lc3aUEHYsFsp_yzDXF00150362|i-40|Andreas Reeg| Felix Ehring mit Sohn und Tagesmutter###

In chrismon erzählte Jung-Vater Felix Ehring über die Probleme, die er hatte, als er seinen Sohn bei der Tagesmutter abgeben musste.

Also gucke ich sie mir heute an, die Kinder der Frau Ott, 16 und 19 Jahre sind sie jetzt. Gerade liegen sie viel auf der Couch, allerdings auf dem eigenen, ausgeklappten XXL-Chill-Sofa mit sehr vielen Joghurtbechern und Energydrinks in Griffweite. Eine psychische Störung kann ich nicht erkennen. Der eine macht bald Abitur, der andere war ein Jahr auf Hilfsdienst in Afrika und fängt in diesen Tagen an zu studieren. Ja, sie haben manchmal morgens geweint beim Abschied. Aber sie haben gelernt, dass Mama wiederkommt und hinter ihnen steht. Ich kann es heute, als Chefredakteurin, kaum fassen, dass junge Redakteure immer noch solche Mails bekommen, wenn sie sich als berufstätige Eltern outen. Und möchte ihnen gerne sagen: Ihr macht es gut, so wie ihr es macht. Ihr seid gute Journalistinnen und Journalisten – und tolle Eltern!
Ursula Ott, chrismon-Chefredakteurin, 52 Jahre, verheiratet, zwei Kinder


Das ist Alltag für Eltern und Kinder

Ich finde, es greift zu kurz, das Thema in Gestalt persönlicher Erfahrungsberichte anzupacken. Das eine Kind heult eine Woche lang bei der Eingewöhnung, das andere eben vier Wochen. Und manches Kind lässt sich vielleicht gar nicht eingewöhnen. Das passiert tausendfach und ist Alltag für Eltern, Kitas und Tagesmütter. Die Debatte, ob Fremdbetreuung im Kleinkindalter schadet oder nicht, war und ist weltfremd und wird lediglich von konservativen Entwicklungspsychologen immer mal wieder angefacht. Klar ist: Fremdbetreuung schadet nicht, wenn sie professionell und liebevoll gemacht wird. Und deshalb ist doch die eigentliche Frage, mit der wir Journalisten uns befassen sollten: Wie steht es um die Qualität der Kinderbetreuung in Deutschland? Was läuft gut, was läuft schlecht? Was muss besser werden und wer ist dafür zuständig?
Tillmann Elliesen, Redakteur bei Weltsichten, 51 Jahre, zwei Kinder

 

Das wäre mein Plan gewesen: Drei Jahre zu Hause, dann wieder arbeiten gehen

Hätte ich Kinder bekommen, wäre das mein Plan gewesen: Ich hätte mein Kind in den ersten drei Jahren selbst erziehen, meine Werte vermitteln und mit dem klassischen Kindergartenalter wieder in den Beruf einsteigen mögen. Die Kinder komplett betüddeln, bis sie aus dem Haus sind, wäre für mich undenkbar. Kinder brauchen viele Einflüsse von außen. Welche Eltern sind schon unfehlbar, woher soll man wissen, ob man alles richtig macht? Also muss man es als Familie schaffen, Beruf und Familie zu kombinieren. Hilfe von Fremden in Anspruch zu nehmen, sei es eine Tagesmutter, Kita oder Hort, hat nichts mit Desinteresse am Kind zu tun.
Ab welchem Alter man seinem Kind fremde Betreuung „zumuten“ will, das kann nur jeder für sich alleine beantworten. Die Lebenssituationen sind heute so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Die Eltern machen sich ihre Entscheidung bestimmt nicht leicht. Ich beobachte das alles in unterschiedlichsten Situationen in den Familien meiner Freunde. Die Kinder werden von den eigenen Eltern betreut und von Oma und Opa unterstützt. Die meisten Mütter sind nach ein bis zwei Jahren wieder arbeiten gegangen und mussten die Kleinen betreuen lassen. Die Kinder entwickeln sich sehr unterschiedlich, sind lebensfroh, werden geliebt. Und doch hakt es an der einen oder anderen Stelle, dass ich als Außenstehende nur den Kopf schütteln kann und mich über die Reaktionen der Eltern wundern muss. Als Tante versuche ich, tolerant zu sein. Bei meinen eigenen Kindern hätte ich das anders gemacht, denke ich mir ab und an – aber das ist vermutlich leichter gesagt als getan.
Sabine Wendt, chrismon-Mediengestalterin, 39 Jahre, keine Kinder


Niemand mindert uns die Miete in der Elternzeit

Ein afrikanisches Sprichwort besagt: „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ Das stimmt. Aber es hat gedauert, bis ich das akzeptieren konnte. Wir haben drei Kinder, die Elternzeiten haben wir aufgeteilt, jeder blieb sieben Monate zu Hause. In ein paar Wochen bin ich wieder dran, mit unserem dritten Kind. Der Große kommt in die Schule. Es fiel mir damals wahnsinnig schwer, ihn in die Krippe zu geben. Im Büro hatte ich ein schlechtes Gewissen. Holte ich ihn nachmittags ab, dachte ich an die Kolleginnen und Kollegen, die noch vorm Rechner hockten. Zufrieden war ich in dieser Zeit nie. Wir müssen beide arbeiten, das Leben in einer Großstadt ist teuer. Niemand mindert uns die Miete, wenn wir über die Elternzeit hinaus zu Hause bleiben. Und wir wollen beide arbeiten! Gleichberechtigung ist eine wichtige Forderung an die Gesellschaft, die Politik, die Arbeitgeber. Aber sie gelingt nur, wenn die Paare untereinander damit anfangen. Ohne Krippe geht das nicht. Die Alternative wäre: Die Kinder sehen zu, wie ein Elternteil zu Hause unglücklich wird. Zum Glück merkte ich mit der Zeit: Wir Eltern sind unendlich wichtig für unsere Kinder, klar! Aber wir sind kein Ersatz für das, was sie mit anderen Kindern erleben. Den Kleinen wird’s irgendwann langweilig mit uns.
Ich freue mich auf die sieben Monate mit unserem Kleinen. Aber anders als beim Erstgeborenen sehe ich der Eingewöhnung in die Krippe gelassen entgegen. Der Kleine wird dort Freunde finden und Erfahrungen machen, die ich ihm nicht bieten kann. Vielleicht trifft er auch eine Susi, die ihn noch besucht, wenn er sechs Jahre alt sein wird. Erzieherin Susi war nämlich neulich bei uns. Sie ist und bleibt ein wichtiger Mensch im Leben unseres Großen. Fast so, als lebten die beiden in einem kleinen Dorf.
Nils Husmann, chrismon-Redakteur, 40 Jahre, drei Kinder


Dank der Kita erfahren wir mehr über unser Kind

Unser Sohn ist mit elf Monaten in die Kita gegangen, nach zwei Wochen Eingewöhnung war er sehr gerne dort. Auch den Kitawechsel nach einigen Monaten, bedingt durch einen unvorhersehbaren Umzug, hat er gut verkraftet und geht nun schon seit sechs Monaten gerne in die neue Einrichtung. Klar, manchmal ist er morgens anhänglicher und will noch etwas auf dem Arm sein, bevor es an die „Übergabe“ geht, aber manchmal kann er gar nicht schnell genug auf die Spielwiese oder zum zweiten Frühstück rüberlaufen!
Mein Mann und ich arbeiten beide Teilzeit. Das ist wichtig für uns beide, sowohl persönlich als auch finanziell. Ich hatte nie ein schlechtes Gefühl dabei, unseren Sohn „so früh“, wie manche sagten, abzugeben und merke, dass es ihm guttut, mit anderen Kindern zusammen zu sein. Und die Wiedersehensfreude ist dann auf beiden Seiten umso größer! Die Betreuungspause gibt auch den Eltern Kraft, man kann auch um Rat fragen in der Kita und erfährt einiges über sein Kind, was man selber so vielleicht gar nicht wahrnimmt.
Anika K., Redakteurin evangelisch.de, 39 Jahre zwei Kinder
 


Wer weiß, wie ich empfinde, wenn ich in der Situation bin?

Meine Mutter war eine Vollzeitmutter und manchmal denke ich, dass ich das meinen Kindern auch gerne einmal gönnen möchte. Ich studiere aber auch andere Kulturen, in denen die Kinder, sobald sie laufen können, den ganzen Tag allein herumwetzen, während die Eltern, weil es nicht anders geht, damit beschäftigt sind, die kärgliche Nahrung herbeizuschaffen. Trotzdem erfahre ich von einer sehr engen und liebevollen Elternbindung in diesen Kulturen. Die Kinder dort haben viele Probleme, die europäische Kinder zum Glück nicht kennen. Aber sie sind nicht ängstlich und allein, sie haben gewisse Freiheiten, von denen europäische Kinder träumen.
Meine Mutter ist sehr mütterlich. Sie hat mir gesagt, dass es für sie gut so war. Für uns zu Hause da zu sein. Ich glaube, ich bin da anders. Ich glaube, neben dem Muttersein muss ich auch ich sein können, schöpfen, schaffen können. Ich glaube, damit ich eine zufriedene, aufmerksame, gute Mutter sein kann, muss ich auch Zeit für meinen Job haben.
Natürlich ist das alles sehr theoretisch. Wer weiß, wie ich empfinde, wenn ich in der Situation bin. Ich habe eine Freundin, die fest entschlossen war, weiter zu arbeiten. Dann hat sie es nicht übers Herz gebracht. Eine andere arbeitete bald wieder, es ging nicht anders. Beide haben sehr aufgeweckte und liebevolle Kinder. Beide sind mit ihrem Leben und ihren Familien zufrieden. Wenn ich alles so recht betrachte, scheint mir, dass es für Kinder nicht so wichtig ist, den ganzen Tag von früh bis spät die Eltern parat zu haben. Es geht eine ganze Zeit lang auch ohne. Mir scheint, es ist wichtig für die Kinder zu wissen, dass sie sich in dieser Zeit auf andere liebevolle Personen verlassen können. Das müssen sie natürlich auch lernen.
Ich glaube, es kommt nicht darauf an, die Kinder den ganzen Tag selbst zu betreuen, sondern auf das Wie. Und ich glaube, dass Kinder viel stärker und offener sind, als wir Erwachsenen fürchten.
Sabine Oberpriller, chrismon Redakteurin, 27Jahre, keine Kinder

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Früher hatten Kinder für das, was Kinder heute beim Eintritt in die Schule können müssen, 6 Jahre in der Schule Zeit, glz.oft zu Hause ab Säugling rundum betreut. Früher gab es Geschwisterkinder, in der Nachbarschaft sehr viele Gleichaltrige + einen Platz fürs Toben, Freiheiten für Forschungsdrang, der heute unvorstellbar ist. Früher waren Scheidungen seltener, Ein-Elternteil-Familien gab es auch schon, aber deren Kinder hatten Probleme. Soziale Einrichtungen waren teuer + selten. Früher vor 50-60 J. + davor!
Wichtig ist das Wie der Arbeit, das Klima, die Gruppengrößen in den Krippen oder bei der Tagesmutter, in Kiga, Kita, Vorschule, Haus der Jugend (gibt es das alles noch?). Die Flexibilität der Eltern. Die Anerkennung der Soz.päd.Berufe zu verbessern (in anderen Ländern wird man Erzieher über Uni oder Fachhochschule!).
Ich habe selbst alles erlebt:das Paradies in Bonn mit Mutter(Heilpäd. Gruppe),Vater (UniJob) zu Hause, dann durch einen Umzug in den Norden "die Hölle", Mutter Arbeit (Fachschule für Soz.Päd.,ein ungünstiger Lehrplan) + Vater arbeitslos, dann tot. Einen bezahlbaren Mittagstisch gab es nicht. So tobte meine Mutter mittags her, kochte, war Liebe, Sicherheit, Erziehung, fuhr wieder zur Schule. Immer fröhlich.
Selbst ohne Kinder. Erzieherin (Abschluß 1982), nur ehrenamtl. bei Kirche/n. Freiberufl. Bilderbuchmacherin für blinde Kinder. Seit 2013*/14 ehrenamtl. Inh. des Anne Fischer Verlages (* Tod meiner Mutter = sehr interessiert an Ausbildungsverbesserungen).

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Fräulein Rottenmeier und die Mahlzahn? Wann war das eigentlich als sich der Kapitalismus mit Margot Honeckers Erbinnen verbündete? Und beide uns Frauen einredeten, wir würden an der Aldi-Kasse und am Fließband viel emanzipierter, selbstbestimmter und freier als wenn wir mit unseren Kindern Marienkäfer suchten, sie für ihre ersten Schritte lobten und Seifenblasen steigen ließen.
Ich bin da wohl eher Nachfahrin der 68er: ich brauch keinen Luxus. Schon gar nicht, wenn ich die besten Jahre mit meinem Kindes dafür opfern muss. Lieber Pippi als Prusseliese.