Tränen
"Danach war Opa oft bei uns. Und einmal fing er plötzlich an, bitterlich zu weinen."
Amelie Persson
"Es tut mir leid"
Das sagt sich schnell – und doch oft schwer, wenn man es ernst meint. Drei Menschen erzählen, was ihnen der Satz bedeutet hat. Und warum er nicht auf die lange Bank gehört
Tim Wegner
Diana Djeddi
16.12.2015

"Klärt das, bevor ihr schlafen geht!"

Meine Großeltern hatten nie Streit. Jedenfalls nie, wenn ich in den Ferien bei ihnen war. Sie hatten sich einen Schrebergarten in Kiel gepachtet, Opa sollte bald in Rente gehen. Eines Abends müssen sie doch gestritten haben. Ich weiß bis heute nicht, worum es ging.

Am nächsten Morgen ging Opa zur Werft. Und meine Oma ging einkaufen. Sie lebten in einem Reihenhaus. Als Oma zurückkam, sah die Nachbarin, dass es ihr nicht gut ging. Sie half ihr ins Haus. Als Opa von der Arbeit kam, lag Oma tot auf dem Sofa, mit 57!

Damals war ich elf Jahre alt, und ich erinnere mich, dass Opa danach oft bei uns war. Und dass er einmal plötzlich anfing, bitterlich zu weinen. Ich wusste aber nicht, warum. Kurz bevor meine Frau und ich heirateten, viele Jahre später, sagte er: „Wenn ihr Streit habt, dann seht zu, dass ihr das geregelt bekommt, bevor ihr zu Bett geht!“ Er hat die Geschichte nur dieses eine Mal angesprochen, aber er war dabei so klar und deutlich, dass ich es weiß, als wäre es gestern gewesen.

„Gell, passt schon?" ist zu wenig!

###drp|RB7c90xR3YDUGRuidmVgFQrH00131819|i-43||###Pädagogin und Mediatorin Heidi Heise spricht im Interview in der chrismon-Ausgabe 01/16 über Nachbarstreits, Entschuldigungen und das Ziel der Erleichterung

Mein Opa starb 1992. Ich bin sicher, dass auch mein Vater von ihm den Rat bekommen hatte, nie einen Streit zu verschleppen. Seinem anderen Sohn, meinem Onkel, wird Opa auch erzählt haben, wie traurig er war, dass er sich nicht mehr mit Oma hatte vertragen können. Aber nun bekamen seine Söhne Streit miteinander. Mein Onkel hatte ein großes Erbe erwartet. Aber dann war da nur ein niedriger fünfstelliger D-Mark-Betrag, wenn überhaupt. Mein Vater hatte Opas Geld zum Teil für dessen Pflege verwendet – er lebte die letzten Jahre hier bei uns, während mein Onkel ein Haus baute. Mein Vater sagte zu seinem Bruder: „Wir hätten Vater auch ins Heim bringen können, aber dann hättest du dein Haus nicht weiterbauen können, so teuer wäre das geworden.“

Die beiden Geschwister hatten früher ein super Verhältnis, sie besuchten sich, sie halfen sich, seit ich denken kann. Aber als Opa gestorben war, brach der Kontakt ab. Auch ich habe meinen Onkel nicht mehr gesehen. Als wir mit unserem Fotoladen Geschäftseröffnung feierten, luden wir ihn ein – keine Reaktion. Ich fragte meinen ­Vater, was er machen würde, wenn der Onkel vor der Tür steht. Er sagte: „Wenn er sich entschuldigt, kann er gern rein­kommen!“ Aber ich mache meinem Onkel keinen Vorwurf, das sind beides Sturköpfe. Das liegt bei uns in der Familie. Da wird irgendwann mal ein Wort das andere er­geben haben, und danach war jeder zu stolz, das Gespräch zu suchen.

2009 hatte mein Vater einen Schlaganfall. Den steckte er gut weg, aber 2012 folgte der nächste. Er lag im Krankenhaus und spürte, dass er bald sterben würde. Ich hatte den Eindruck, dass ihn etwas be­las­tet. Also fragte ich ihn, ob wir uns bei seinem Bruder melden sollten. Und genau das war sein Wunsch! Meine Schwester rief meinen Onkel an und sagte: „Papa geht es nicht gut, er würde dich gern sehen, willst du kommen?“ Mein Onkel bat um Bedenkzeit. Zwei Tage später rief er zurück und sagte, dass er nicht kommen möchte. Eine Woche später ist Vater gestorben. Ich saß neben ihm, als die Maschinen abgestellt wurden. Meine Schwester rief wieder bei meinem Onkel an. Sie hörte, dass er den Hörer auf den Tisch legte, schluchzte und wegging. Dann war Stille, bis jemand kam und auflegte.

Für mich ist das, was meinem Opa und meinem Vater passiert ist, eine große Lehre. Man muss auch mal vergessen können! Wenn wir uns zu Hause mal in die Haare kriegen, versuchen wir, das Problem schnell auszuräumen. Nicht so stur sein, sondern reden! Sonst ist es irgendwann zu spät.

Jörn J., 54, lebt in Schleswig-Holstein.

Sie fuhr ihn zum Krüppel – und flog erst mal nach Indien. Ihr Besuch kam zu spät

Freunde hatten mich zum Essen eingeladen. Mir ging es damals nicht gut, meine Frau hatte sich von mir getrennt und die Zwilli​nge mitgenommen. Aber das war endlich mal wieder ein schöner Abend mit „Weißt du noch?“-Gesprächen. Die Wohnung meiner Eltern war ganz in der Nähe, sie waren im Urlaub und ich hatte mir kurz überlegt, ob ich dort übernachten sollte. Aber dann fuhr ich nach Hause.

Gegen halb vier Uhr am Morgen kamen mir drei Autos entgegen. Das letzte in der Reihe überholte. Ich sehe heute noch die zwei Lichter auf mich zukommen. Wir stießen zusammen. Die Feuerwehr musste mich aus meinem Audi 100 schneiden.  Im Krankenwagen kamen die Schmerzen. Am Tor zur Notaufnahme verlor ich das Bewusstsein. Das war am 14. August 1994, damals war ich 32 Jahre alt.

Meine nächste Erinnerung ist, dass ­meine Mutter zu mir ans Bett kam und sagte: „Heute ist der 1. November, Teo!“ Ich erinnere mich an nichts aus der Zeit zwischen dem Unfall und diesem Satz, nur wirre Träume von einer Hütte, die im hohen Gras steht, mit Bäumen drumherum. Viele Jahre später habe ich genau diese Hütte während eines Ausflugs gesehen, verrückt!

Mein linkes Bein: war drei Mal gebrochen. Mein Hüftkopf: weggesprengt. Viele Nervenstränge: gerissen. Meine Lunge war zusammengedrückt worden. Das war lebensbedrohlich.

Am Unfallort hatte ich die Unfallverursacherin nicht wahrgenommen. Aber sie muss mitbekommen haben, dass ich sehr schwer verletzt war. Als ich aus dem Koma aufwachte, erfuhr ich, dass sie unverletzt geblieben war. Ihr Beifahrer hatte ein Schleudertrauma. Gegenüber der Polizei hatte sie erklärt, die Strecke für eine vierspurige Straße gehalten zu haben. Durch einen Streit mit ihrem Beifahrer sei sie abgelenkt gewesen. Dann war sie ein Vierteljahr in Indien. Ich nehme an, sie hat das alles nicht ertragen. Mein Bruder, der meine Interessen wahrnahm, hatte große Probleme, überhaupt eine Schadensmeldung von ihr zu bekommen.

Sieben Monate nach dem Unfall wurde mir das linke Bein amputiert, Infektionen im Gewebe. Das kann sich keiner vor­stellen. Bis heute habe ich das Gefühl, auf einem Wasserballon zu sitzen. Ich musste lange üben, bis ich nicht mehr aus dem Rollstuhl kippte. Phantomschmerzen habe ich auch, besonders, wenn das Wetter wechselt.

Nach der Amputation grübelte ich viel, bis mir klar wurde, dass es für mich drei Möglichkeiten gab: Ich könnte ein un­ausstehlicher Nörgler werden, der jedem auf den Geist geht. Ich könnte ein Jammer­lappen werden, der den Frust in sich hinein­frisst. Oder ich könnte mich freuen, dass ich noch lebe. Und weil ich immer schon ein Einzelkämpfer war, entschied ich mich für die dritte Option.

Ich übte schon mit dem Rolli, als eines Tages, im Juni 1995, jemand an die Tür meines Krankenzimmers klopfte. Eine Frau guckte herein und fragte: „Wissen Sie, wer ich bin? Ich bin ihre Unfallgegnerin!“ Ein Jahr nach dem Unfall. Sie hatte mir ein 3-D-Buch mitgebracht, die waren damals sehr in Mode. Ich schlug ihr vor rauszugehen. Es war ein heißer Sommer. Ich versuche immer, ein höflicher Mensch zu sein. Was sie genau sagte, weiß ich nicht mehr. Sie erzählte mehr von sich und ihren Plänen, als dass sie sich erkundigte, wie es mir ging.

Den Besuch hätte sie sich schenken können, er kam viel zu spät. Ich hätte mir gewünscht, dass sie zügig die Schadensmeldung macht, damit die Versicherungen alles regeln können. Ich hätte gehofft, dass sie den Arsch in der Hose hat, Kontakt zu meiner Familie aufzunehmen, ­­um sich nach mir zu erkundigen, als ich im Koma lag. Das hätte mir etwas be­deutet. Niemand kann ausschließen, dass einem so was passiert. Ich hätte gesagt: „Shit happens!“

Ja, sie sagte bei ihrem Besuch auch diesen Satz: „Es tut mir leid!“ Aber dadurch, dass sie so lange gewartet hat, war es eine Entschuldigung, die mir völlig egal war. Ich erwiderte nichts darauf. Ihr Besuch dauerte ungefähr eine Stunde. Sie meinte, sie würde gern wiederkommen, wenn sie es schaffen würde. Ich sagte: „Danke für Ihren Besuch, das können Sie machen, müssen Sie aber nicht.“

Ich habe sie nie mehr wiedergesehen. Freunde sagten zu mir: „Mensch, Teo, der hätte ich was erzählt!“ Aber was habe ich davon? Ich bin kein rückwärtsgewandter Mensch. Ich habe sie aus meinem Leben verabschiedet. Jemandem etwas nachzutragen ist mir viel zu anstrengend. Das liegt unten im Keller, wo ich sowieso nicht mehr hinkomme.

Ich glaube, sie merkte, dass mir ihre Geste nicht mehr wichtig war. Sie hat das nicht für mich gemacht, sondern für sich, damit sie klarkommt. Soll sie! Es nützt mir überhaupt nichts, wenn sie sich den Rest ihres Lebens damit quält, jemanden durch Unachtsamkeit zum Krüppel gefahren zu haben. Sie konnte wenigstens nicht sagen: „Der war unfreundlich, der hat mich angeschrien!“

13 Monate nach dem Unfall kam sie vor Gericht. Der Staatsanwalt forderte neben Führerscheinentzug eineinhalb Jahre Haft auf Bewährung. Letztlich musste sie eine Strafe bezahlen und den Führerschein für zwei Monate abgeben. Ich bekam Schmerzensgeld. Wenn ich heute aufgrund meiner Behinderung etwas brauche, kommt die Versicherung dafür auf. Das ist sehr wichtig für mich.

Jemandem, der einen Unfall verursacht, rate ich, zum eigenen Fehler zu stehen und alles zu tun, um die Abwicklung zu beschleunigen. Und möglichst hinzugehen und zu sagen: „Es tut mir leid!“ Auch wenn es schwerfällt.

Teo K., 53, lebt in Niedersachsen.

Tut das weh? Ich hol ein Kühlakku!

In jeder Kindertagesstätte gibt es natürlich Konflikte. Kleinkinder sind der Mittelpunkt ihrer Welt, so lernen sie ihre Umwelt kennen. Ganz kleinen Kindern ist noch gar nicht bewusst, dass sie andere verletzen. Der nächste Entwicklungsschritt, mit etwa drei, vier Jahren: Sie fühlen sich schlecht, wenn sie jemandem wehgetan haben, aber sie können nur bedingt trös­ten. Spätestens im Vorschulalter können sie dann auch Worte finden, um sich zu entschuldigen.

Hier in der Kita haben wir einen engen Flur, da kommt es immer mal wieder vor, dass Kinder zusammenstoßen. Das kann zu Hause auch passieren. Manche Väter und Mütter sagen dann: „Was stehst du auch immer im Weg herum!“ Das wirkt auf das Kind ganz anders, als wenn sie sagen: „Ich habe dich nicht ge­sehen. Es tut mir leid.“

Wenn wir hören, dass ein Kind weint, trösten wir es natürlich und fragen, was passiert ist. Vielleicht wurde es geschubst, aber vielleicht hatte der Konflikt auch eine andere Vorgeschichte? ­

Wir wollen, dass die Kinder gemeinsam eine Lösung finden. Das dauert manchmal seine Zeit. Wenn ein Kind einem anderen wehgetan hat, lernt es, sich zu kümmern, zu trösten oder einen Kühlakku zu holen – damit es keine Beule gibt. So erleben schon die Kleinen, dass sie etwas wiedergutmachen können. Ihr Verhalten macht sie nicht zu „schlechten“ Kindern. Eine Entschuldigung hilft ihnen, die Situation zu bewältigen.

###autor###Wir in der Kita sind nur ein kleiner Teil in der kindlichen Entwicklungs- und Erziehungsgeschichte. Zuvor waren einige schon in einer Krabbelstube, danach kommen Schule und Ausbildung. Aber nichts ist so wichtig wie die Familie. Heute empfinden viele ­Eltern den Druck, alles richtig machen zu müssen. Mein Rat ist: Ihr müsst nicht perfekt sein! Wenn Eltern ihren Kindern gegenüber so tun, als würden sie nie etwas falsch machen, lernen ­Kinder nicht den Umgang mit Fehlern. Erlebt das Kind, dass Eltern um Entschuldigung bitten, fühlt es: Auch Erwachsene machen Fehler – und ein „Es tut mir leid“ hilft, die Situation zu klären.

Nicht alle Kinder entwickeln im Laufe ihrer Kindergartenzeit gleich viel Empathie, aber fast alle verinnerlichen das Ritual. Mir und meinen Kolleginnen ist es wichtig, dass auch wir „Es tut mir leid!“ zu den Kindern sagen, wenn wir etwas falsch gemacht haben. Zum Beispiel, wenn wir ein Kind für etwas beschuldigt haben, was es gar nicht getan hat. Es ist uns bewusst, dass unser Verhalten und Vorbild mit prägend dafür sind, wie Kinder mit Schuld und Fehlern umgehen.

Ute Burschyk, 45, ist Erzieherin im Kindergarten „Grüne Winkel“ der Evangelischen Kirchengemeinde Frankfurt-Nied.

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Einen schönen Guten Abend an die Journalisten und die Profischlichter unter uns.

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Ich bin einer von jenen Printmediennutzern, die eher gelegentlich als regelmäßig am Kiosk oder im Supermarkt nach der Zeitung greifen, das dann aber aus dem großen Bedürfnis heraus tun, Informationen zur Abwechslung auf Papier gedruckt zu lesen, statt wie sonst in den Portalen des Netzes, es ist einfach eine andere Kultur des Lesens.
So griff ich heute zur SZ, war aber recht schnell durch die Zeitung durch, kaum Artikel, die mich wirklich mein Interesse wecken konnten und ich fragte mich schon, ob die 2,50 wirklich gut angelegt worden seien, bis ich in der "chrismon" auf den Artikel " Es tut mir leid" stiess, toller Artikel, für den haben sich die 2,50 gelohnt! Diese Form von "nachhaltigem" Journalismus im besten Wortsinn sollte der aktuellen Zeitungskrise trotzen können, das hoffe ich zumindest und bin da eigentlich ziemlich zuversichtlich. Danke.

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Mit Ihre Artikeln zum Thema "Tut mir Leid" haben Sie ein wichtiges Problem angesprochen.
Mir ist dabei aus meiner Zeit als Lehrer ein häufiges Schüler-Verhalten in den Sinn gekommen: Es kommt ja häufig vor, dass ein Schüler Konflikte provoziert oder mehr oder weinger willentlich verursacht. Oft ist auch ganz klar, wer der oder die "Schuldige"  ist. Wenn ich dann denjenigen oder diejenige wegen ihres Fehlverhaltens zur Rede stellte, waren die häufigsten Reaktionen entweder schlichtes Leugnen, gegen alle Logik, oder ein schnoddrig dahin geworfenes "Tut mir Leid!" - und damit war das Thema erledigt.
Dieses "Tut mir Leid" entsprach in seiner Schnoddrigkeit ganz offensichtlich nicht einer wirklichen inneren Einsicht oder dem Willen zur wirklichen Entschuldigung. Ich hatte den Eindruck, dass in Kindergarten und Grundschule gelernt worden war, wenn man sich ganz flott entschuldigt, dann entgeht man peinlichen Befragungen oder gar Strafen. 
Eine so dahin gesagte Floskel wird dann zur Strategie zur Vermeidung unerwünschter "Nebenwirkungen". Man hat sich ja "entschuldigt", was sollte einem dann noch passieren! Dann braucht man sich auch nicht mehr mit seiner Handlungsweise auseinanderzusetzen. Also: das Gegenteil von einer ehrlichen Entschuldigung.
Mit freundlichen Grüßen,
Ulrich Holzhausen, Krefeld
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Sehr geehrte Damen und Herren,

ich lese gern und häufig mit Gewinn Ihr Magazin.

Unter Berücksichtigung, dass es sich um ein christliches Magazin handelt, hat mich der Abdruck des Berichts von Teo Krohn in Ihrer Titelgeschichte von Heft 1/2016 “Es tut mir leid” doch sehr irritiert. Ich kann den Autor und seine Gefühle und Haltung sehr gut nachempfinden (mir ginge es in vergleichbarer Situation wahrscheinlich genauso). Was mich überrascht hat, ist, dass der Bericht in IHREM Magazin (unkommentiert!) erscheint. Denn eines der christlichen Anliegen ist doch wohl das Vergeben und Verzeihen. Und davon kann bei dem Autor ja nun wirklich keine Rede sein.

 

Ich freue mich auf weitere Ausgaben Ihres Magazins und bin mit freundlichen Grüßen

Michael Mädler

 

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sowieso

 

des einen Freud, des andren Leid

mag sein, wo Zweisamkeit entzweit,

wenn Sand gerät in das Getriebe

am Ende gar noch einer Liebe

 

Piaf singt  - wie sie selbst es lebt -

dass sie nicht sehr an Partnern klebt,

sobald sie für intime Stunden

die neue Liebe schon gefunden;

 

meint, dass sie „nichts vom nichts“ bereut,

rien de rien, was mal erfreut

die Partnerschaft, eh‘ sie verflossen,

da sie das Neue dann genossen

 

trällert von „ma vie“, „mes joies“,

ihre Freude und  ihr Leben

just beginnen „avec toi“,

mit der neuen Liebe eben

 

denkbar leidvoll, wer verlassen,

eh‘ auch dieser kriegt zu fassen

vielleicht Neues irgendwo,

sorry Edith

 

sowieso

 

Frank Müller-Thoma, Langenargen/Bodensee, 11.1. 2016