30.03.2015
Absender
Sebastian Linser

Deutsche Journalisten tun sich immer schwer, wenn sie über Namibia schreiben. Man schnappt irgendwo eine Information auf und stellt diese, oft fälschlich, als Tatsache hin. Die Aussagen über die Herero sind in diesem Artikel sehr überspitzt und reißerisch dargestellt. Zumal Historiker verschiedene Standpunkte über den Umgang der Schutztruppe mit diesem Volk vertreten.
Weitere Anmerkung: Noch heißt Lüderitz nicht Naminüs. Lediglich der Wahlkreis wurde umbenannt. Offiziell wird der Küstenort noch Lüderitz genannt.
Weiterhin ist der Beitrag sehr auf die Seite der Deutschen fokussiert. Hat die Autorin auch nur einmal mit dem Personal auf Sonnleiten gesprochen? Wie sehen die Bediensteten die deutsche Seniorenresidenz? Diese Seite wird überhaupt nicht beleuchtet. Das Thema hier ist ein Politikum, es geht schließlich nicht um einen Urlaubsbericht. Krankenversicherung haben auch manche Hausangestellten in Privathaushalten. Übrigens gilt ab April 2015 ein Mindestlohn für Hausangestellte in Höhe von 1218 NAM-Dollar.
Unnötiger Weise bohrt dieser Bericht in alten Wunden und greift die Überreste Deutscher Kultur klischeehaft auf.
Die Überschrift "Für immer Safari" ist für mich nicht nachvollziehbar, da sie mit dem Inhalt ncihts zu tun hat (auch hier wieder ein Klischee). Im Text wird lediglich beschrieben, wie eine Handvoll Senioren hinter einem Zaun beim Kaffeklatsch sitzt und deutsche Bräuche zelebriert.
"Viele der besseren Geschäfte sind in Deutscher Hand": Wie definiert sich ein "besseres Geschäft"? War die Autorin schon einmal bei Nitzsche-Reiter in Windhoek? Das einzig professionell ausgestattete Fotogeschäft der Stadt. Bisher bin ich dort noch nie auf einen deutsch sprechenden Verkäufer gestoßen. In Swakopmund kommt man ohne Englisch dagegen schon eher durch.
Auf Seite 4 findet sich ein Zitat des Herrn Corzilius. Darin geht es um den Wasserverbrauch. Es gehört zur journalistischen Sorgfaltspflicht, solchen pauschalisierten Aussagen nachzugehen. Ist das tatsächlich so? Was sagen "die Schwarzen" zu der Konfrontation? Stattdessen wird die Aussage eines einzigen Rentners in den Raum geworfen.
Die "Höhere Privatschule" heißt übrigens Deutsche Höhere Privatschule Windhoek (DHPS). Der Satz "... die wilhelminische Prachtstraße, die heute nicht mehr Kaiserstraße, sondern immerhin schon Independence Avenue heißt. " ist nicht korrekt formuliert. In den letzten Jahren wurden viele Straßen umbenannt, auch in Klein Windhoek. Die Independence Avenue trägt ihren Namen schon weitaus länger, als viele andere Straßen. Der Satz erzeugt durch die Wörter "sondern immerhin schon" den Eindruck, die Umbenennung der Kaiserstraße hätte diesen Prozess gerade erst in Gang gesetzt.
Warum kritisiere ich diesen Text? Ich habe selbst mehrere Monate in Windhoek gelebt und dort als Journalist gearbeitet. Und dennoch kann ich einige Besonderheiten der namibischen Gesellschaft nicht vollständig nachvollziehen, da die Gesellschaft so vielschichtig ist. Ich weiß jedoch, dass man mit vielen Aussagen sehr vorsichtig sein muss, wenn man sie nicht korrekt belegen kann, oder damit alte Wunden unnötigerweise aufkratzt. Der Beitrag gibt mir nicht das Gefühl, als hätte sich die Autorin tiefgreifend mit der dortigen Gesellschaft und Kultur befasst. Das ist schade, da so ein falsches Bild diesen wunderbaren Landes in den Köpfen der Deutschen entsteht.
-Sebastian Linser-

 

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