Warum lesen wir Tag für Tag immer wieder Krimigeschichten, obwohl es in unserer Welt eigentlich genug Gewalt und Grausamkeit gibt? Warum gibt es an jedem Abend im Fernsehen immer eine große Portion Thriller und Spannung? Ich glaube, das hat mit der Friedenssehnsucht einer einsam gewordenen Vernunft zu tun. Jeder Krimi ist eine Art Hoffnungsgeschichte für den Verstand, eine Art Glaubensbekenntnis für den nüchternen Menschen, eine Art Abendgebet für den gottfernen Rationalisten, denn das Strickmuster dieser Krimis ist ja immer gleich: Am Anfang bekommen wir in irgendeiner Weise einen Unfrieden geliefert, einen Mord, eine böse Tat, eine dunkle Machenschaft. Dann setzt die Aufklärung ein, ein Kommissar, ein Detektiv oder ein Polizist treten auf und bringen Licht ins Dunkel. Diese Menschen sind dann die Träger der Aufklärung, die Heilsbringer der Rationalität, die Hoffnungsträger des Guten, Wahren, Vernünftigen. Sie bringen Licht ins Dunkle, sie erhellen das Verborgene und lassen das Unrecht nicht durchkommen. Durch die Gestalt eines Kommissars bringt ein Krimi Licht ins Chaos, Aufklärung ins Unverstehbare und Frieden ins Leben zurück.
So tröstet uns ein Krimi durch seine immer gleiche Botschaft: Am Ende gewinnt die Aufklärung, die Rationalität durchschaut das Böse und es kommt zum Happy End. Natürlich wissen alle, dass unsere Welt in Wahrheit keinesfalls so heilbar ist wie im Krimi. In Wirklichkeit herrscht kein Friede, in Wirklichkeit kommt das Böse oft viel besser weg, und nicht selten versandet die Aufklärung in der Dunkelheit. Deswegen muss es auch jeden Abend einen neuen Krimi geben, denn dieses Evangelium der Aufklärung braucht die ständige Wiederholung, der säkulare Mensch muss sich täglich neu vergewissern, dass die Vernunft siegt und dass die Aufklärung über die Dunkelheit triumphiert.
Auch in den Geschichten der Bibel geht es um Frieden, aber um einen Frieden, der höher ist als alle menschliche Vernunft. Auch Jesus kämpft gegen eine dunkle Macht, aber sie lässt sich nicht so ohne weiteres in Gestalt von Bösewichten wegpacken. Jesus wendet sich gegen die dunklen Kräfte in den Taten und Tätern, er kämpft gegen die bösen Geister, die man sich damals ganz handfest vorstellte, mit Hinkefuß und Hörnern, die aber nicht dadurch verschwunden sind, dass wir diesen Vorstellungen vom Teufel oder Beelzebub den Mythos ausgetrieben und sie gleichsam rationalisiert haben. Alle modernen Erklärungen nützen gar nichts, weil jeder abgründige Missbrauch eines kleinen Kindes, jede grausame Folterung und jede abwegige Brutalität uns aufgeklärte Menschen daran erinnert, dass es auch heute noch böse, dunkle Geister gibt, die Menschen beherrschen können.
"Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen", sagt Jesus wohl auch deswegen, weil damit der Plan der Vernunft von der Abschaffung des Dunklen relativiert wird. Die Bibel ist viel realistischer als jeder Krimi, denn sie leugnet die Dunkelheiten des Lebens nicht. Sie werden bleiben, solange es unsere Welt gibt. Aber die biblische Hoffnungsbotschaft will mitten darin Licht und Trost bringen. Dass wir uns versöhnen lassen mit unserem Leben durch Gott, obwohl es weiterhin Abgründiges und Unfassbares in uns und um uns gibt, das ist der aufgeklärte Trost der Bibel.